Ausgabe 2009/2

Diagnose: Rassismus

Ausgrenzung und Armut machen krank, bleiben aber als Ursache oft unsichtbar. Dafür boomen "inter-" und "transkulturelle" Themen im Gesundheits- und Pflegediskurs. Ein Themenschwerpunkt zur antirassistischen Gesundheitsvorsorge.

Fokus ^

Die Kulturalisierung der Psyche

von Paul Mecheril

Über die Konstruktion von Fremdheit und die Konsequenzen für die psychosoziale Arbeit in der Migrationsgesellschaft.

"Wenn ein Südländer erkrankt, steht ihm die ganze Familie bei. Der Bezug zum Körper ist sehr stark, ohne Körper geht gar nichts, deswegen wird auch für 'gutes Essen' gesorgt. Die südländischen Frauen sind beim Einkaufen sehr pingelig. Fett wird gemieden, die Farbe muß schön sein, Obst und Gemüse müssen frisch sein. Daß nur einmal am Tag gekocht und abends kalt gegessen wird, ist eine Übernahme der deutschen Gewohnheiten, die auch nur deswegen geschehen ist, weil man selten gemeinsam ißt.

"Rassismus ist ein unbenannter Stressfaktor"

Interview mit Araba Evelyn Johnston-Arthur

Warum Rassismus traumatisiert und wie das Benennen rassistischer Gewalt heilend wirken kann.

migraZine: Bis vor kurzem war in der Schaufenstergalerie von maiz die Ausstellung Website "Valium Export – Banzo" zu sehen, die sich mit dem Verhältnis von Migration und Depression auseinandersetzt. Zur Ausstellungseröffnung warst du zu einem Gespräch eingeladen, in dem es um Rassismus und Trauma ging. Könntest du diesen Zusammenhang näher erläutern?

Heraus aus der Schattenmedizin!

von David Winizki

Über die skandalöse Gesundheitsversorgung von Sans Papiers in der Schweiz.

Es gibt viele Arten zu töten.
Man kann einem ein Messer in den Bauch stecken
einem das Brot entziehen
einen von einer Krankheit nicht heilen
einen in eine schlechte Wohnung stecken
einen zum Selbstmord treiben
einen durch Arbeit zu Tode schinden
einen in den Krieg führen.
Nur weniges davon ist in unserem Staate verboten

Ciao, Warteschleife!

von Ingrid Slanjinka

Dequalifizierung, Gratis-Arbeit, Gebührenexplosion: Der Weg zur offiziellen Anerkennung in medizinischen Pflegeberufen stellt Drittstaatsangehörige vor gewaltige Hürden. Ein Erfahrungsbericht.

Die Nostrifikation [1], das heißt die staatliche Anerkennung meiner Ausbildung, als diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester (DGKS) wurde bei mir 2006 aktuell. Damals kämpfte ich als so genannte Drittstaatsangehörige um die Möglichkeit, beim Roten Kreuz als Pflegehelferin in der mobilen Hauskrankenpflege zu arbeiten. Als ich zum ersten Mal zur MA 15 (Magistrat für Gesundheitswesen und Soziales) am Modenapark im dritten Wiener Gemeindebezirk ging, wurde ich erst mal darüber aufgeklärt, welche Unterlagen fehlen. Das überraschte mich zunächst wenig.

Ciao, Warteschleife! (bks)

von Ingrid Slanjinka

Smanjenje vrednosti, neplaćeni posao, lavina taksi: Put priznavanja zanimanja zdravstvenih radnika stranog porekla je pun prepreka. Lično iskustvo.


2006 sam počela da se zanimam za nostrifikaciju. Reč je o državnom priznavanju mog obrazovanja medicinske sestre. Pošto sam tkz. eu strankinja, pokušala sam da dobijem posao negovateljice u mobilnoj kućnoj nezi u Crvenom krstu. Kada sam prvi put otišla u magistrat 15 ( u trećem okrugu u Modena ulici ), kao prvo su mi objasnili koji mi svi dokumenti nedostaju.To me baš i nije iznenadilo. Mama mi je iz Srbije poslala plan i program moje srednje škole. Cena overenog prevoda me je zabolela - kao i uvek kada se nešto mora prevesti.

Rassismus und "Schweinegrippe"

von Andreas Kemper

Trägt die Wahrnehmung der Nordamerikanischen Grippe, der so genannten "Schweinegrippe", dazu bei, den alltäglichen Rassismus zu verstärken?

Rassismus basiert auf Gegensatzpaaren. Nach Wulf D. Hund [1] ist eine wichtige Form des Rassismus das Gegensatzpaar "Reine und Unreine". Dieses Gegensatzpaar finde sich zunächst und am deutlichsten im Kastenwesen in Indien, sei aber auch beim Entstehen des Begriffs "Rasse" in Spanien im Antijudaismus wesentlich gewesen. Und auch im Begriff "Rassenhygiene" zeigte sich die Verknüpfung von Unreinheit, Krankheit und Seuche mit Rasse. Unreinheit und Krankheit werden auf klassenrassistische Konstruktionen projiziert.

Crossover ^

Glossar der politischen Selbstbezeichnungen (Teil 2)

von Café Secondas, FeMigra, Lady Bitch Ray, Ladyfest Berlin, Ladyfest Hamburg, Ladyfest Wien, Missy Elliott, Netzwerk Secondo, Roxanne Shanté und Secondas Plus

Von A bis Z: Ein "Talking back from the margins" (bell hooks). Teil 2 der Glossar-Serie.

Teil 2: Bitch, Lady, Migrantin, Secondas



B wie … Bitchsize>

Whatcha talk? Whatcha say? Huh?
She’s a bitch
When you say my name
Talk mo’ junk but won't look my way

Legaler Raub

von Doris Cordova Ramirez

Chile gilt als Vorreiter in Sachen private Pensionsfonds – weltweit wurde das chilenische Modell von zahlreichen Staaten als neoliberales Musterbeispiel übernommen. Seit der jüngsten Finanzkrise hat sich das wahre Ausmaß der Verluste der privaten Vorsorgegesellschaften offenbart.

In den Jahren 2010 und 2011 feiern mehrere lateinamerikanische Länder, unter ihnen Chile, Ecuador, Mexiko, Paraguay und Venezuela, zweihundert Jahre Befreiung von der spanischen Herrschaft. Von da an haben die lateinamerikanischen Länder, mit mehr oder weniger großen Schwierigkeiten, ähnliche Erfahrungen und Prozesse durchgemacht.

Ein etwas anderes Ministerium

Interview mit Orhan Dilber

Über die aktuellen Besetzungen der türkischen und kurdischen Sans Papiers in Paris.

"Flüchtlinge an der Börse" hieß ein Artikel, in dem wir auf den Kampf der Sans Papiers in Paris aufmerksam machten, die seit dem 2. Mai 2008 die Bourse du Travail [1] nahe der Place de la République besetzt hielten. Der starke Arm des Gewerkschaftsverbandes CGT hat die 1.300 BesetzerInnen am 24. Juni 2009 brutal auf die Straße gesetzt.

Un robo legalizado (español)

von Doris Cordova Ramirez

Chile es precursor en temas de Fondos Privados de Pensión – el modelo neoliberal chileno fue tomado como ejemplo por numerosos países a nivel mundial. Desde la actual Crisis financiera se ha descubierto la real dimensión de las pérdidas evidentes de las Administradoras de Fondos de Pensiones.

En el año 2010 y 2011 varios países latinoamericanos entre ellos: Chile, Ecuador, México, Paraguay y Venezuela cumplen 200 años de liberación del yugo español. De ahí en adelante, con más o menos dificultades, los países latinoamericanos han vivido experiencias y procesos casi similares. Semejantes es su eterna dependencia económica, primero española, inglesa y después norteamericana. Con intromisiones directas de este último (USA), ya sea con invasiones o apoyando golpes de estado que dieron paso a las criminales dictaduras militares.

A ministry like no other (english)

Interview with Orhan Dilber

On the current occupations of the turkish and kurdish "sans papiers" (undocumented migrants) in Paris.

A year ago, in an article entitled "Refugees at the Bourse" we talked about the struggle of undocumented migrants in Paris who had occupied since May 2, 2008 the “Bourse du Travail” [1] near the Place de la République. On June 24, 2009, the strong-arms of the CGT brutally expelled the 1,300 occupants. Last week we were able to visit the new place of occupation, in Baudelique Street in the 18th arrondissement. This is a very strong movement, probably the largest seen so far in Europe.

Fim da linha (português)

Entrevista com Mario Geremia

Na Bolívia, acima de 50% da população economicamente ativa trabalha no mercado informal. E outra grande parcela, não registrada em dados estatísticos, imigrou para o Brasil. De acordo com a Corte Nacional Eleitoral da Bolívia, o destino principal dessa população é a grande São Paulo, onde estima-se que mais de 150 mil bolivianos trabalhem na indústria têxtil, normalmente controlada por imigrantes vindos da Coréia do Sul.

Como e quando começou a imigração coreana para o Brasil e por que esses trabalhadores direcionaram-se para a indústria têxtil?

A imigração coreana tem seu início nas décadas de 1960 e 1970 com a chegada dos primeiros grupos, atendidos e acolhidos naquele período pela obra missionária Scalabriniana da Igreja da Paz. Na cidade de São Paulo, particularmente, encontraram um mercado de confecção desorganizado, informal e clandestino, passando a integrá-lo como prestadores de serviços, assim como já vinha acontecendo com outros grupos migratórios.

The end of the line (english)

Interview with Mario Geremia

In Bolivia, about half of the economically active population works in the informal market. Many migrate to Brazil, according to Bolivian National Electoral Court more than 150,000 Bolivians reside in Greater São Paulo. There, a main destination of the illegal Bolivian labor are textile sweatshops, usually controlled by South Korean migrants.

How and when did the migration of Koreans to Brazil begin and why were they directed to the textile industry?

The Korean migration had its beginning in the 1960s and 1970s, with the arrival of the first groups which were assisted and welcomed by our missionary work of the Igreja da Paz (Peace Church). In São Paulo, due to a specifically favourable environment, they found the possibility to work in textile production in an informal and clandestine way, being integrated as service providers, as already happened to other migrant groups.

Un ministère pas comme les autres (français)

Interview avec Orhan Dilber

Les occupations actuelles des sans papiers turcs et kurdes à Paris.

Il y a un an, dans un article intitulé "Réfugiés à la Bourse" nous évoquions la lutte des sans papiers à Paris qui avaient occupé depuis le 2 mai 2008 la Bourse du Travail près de la Place de la République. Le 24 juin 2009, les gros bras de la CGT avaient brutalement expulsé les 1.300 occupants. La semaine dernière nous avons pu rendre visite au nouveau lieu d’occupation, rue Baudelique dans le 18ème arrondissement.Il s’agit là d’un mouvement considérable, sans doute le plus important qu’on ait pu voir jusqu’à ce jour en Europe.

Töchter der Globalisierung: Philippinische Frauen in Europa kämpfen für ihre Rechte

von Filomenita Mongaya-Hoegsholm

Die philippinische Migration nach Europa wird von Frauen dominiert, die, hier angekommen, hauptsächlich als Haushaltshilfen und Pflegekräfte arbeiten. Auch die kurzfristige Migration als Au-Pairs nahm in der Vergangenheit stark zu. Da alle philippinischen Immigrantinnen mit Rassismus und Diskriminierungen konfrontiert sind, organisierten sich siebzig Philippininnen und gründeten das erste Immigrantinnen-Netzwerk in Europa: Babaylan.

Die philippinische Migration hat eine lange Geschichte. Heute sind achtzig Prozent der nach Europa kommenden ImmigrantInnen Frauen, die hier zum Großteil im Haushalt arbeiten. Dies hat verschiedene Ursachen. Erstens führt die demografische Entwicklung dazu, dass die älter werdende Bevölkerung vermehrt Pflege braucht. Zweitens fordert das wirtschaftliche Diktat zwei Einkommen pro Haushalt, um den Lebensstandard aufrechterhalten zu können. Daher arbeiten immer mehr Frauen außerhalb des Haushalts. Angesichts der fehlenden Betreuungseinrichtungen schließen Immigrantinnen diese Lücke.

Außerordentlicher Betrieb

von Katharina Ludwig

In Deutschland haben GebäudereinigerInnen zum ersten Mal gestreikt. Mit der Forderung nach einem existenzsichernden Mindestlohn thematisieren sie die Arbeitsbedingungen einer Branche, die keine Spuren hinterlässt.

Neun Minuten hat sie für ein Zimmer. Das heißt für Betten, Bad und Böden. Egal wie viel Dreck die Gäste an ihrem Arbeitsplatz, einer Berliner Bildungsstätte, hinterlassen. Ihr Chef verstehe nicht, was daran Stress sei, erzählt die Frau mit der weißen "Tüte" über der Winterjacke. Rot steht darauf geschrieben: "Wir streiken." "Gestern hat er zum ersten Mal selbstsauber gemacht. Ich habe ihn gefragt, ob er sich dafür 8,15 Euro gezahlt hat oder seinen normalen Lohn." Es ist noch vor Morgengrauen, als sie sich mitrund fünfzig anderen aus ihrer Branche vor der Messe Berlin positioniert.