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Töchter der Globalisierung: Philippinische Frauen in Europa kämpfen für ihre Rechte

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von Filomenita Mongaya-Hoegsholm

Die philippinische Migration hat eine lange Geschichte. Heute sind achtzig Prozent der nach Europa kommenden ImmigrantInnen Frauen, die hier zum Großteil im Haushalt arbeiten. Dies hat verschiedene Ursachen. Erstens führt die demografische Entwicklung dazu, dass die älter werdende Bevölkerung vermehrt Pflege braucht. Zweitens fordert das wirtschaftliche Diktat zwei Einkommen pro Haushalt, um den Lebensstandard aufrechterhalten zu können. Daher arbeiten immer mehr Frauen außerhalb des Haushalts. Angesichts der fehlenden Betreuungseinrichtungen schließen Immigrantinnen diese Lücke. Und schließlich führt die unternehmensgesteuerte Globalisierung zu verschiedensten Krisen im globalen Süden, sodass sehr viele Frauen bereit sind, ins Ausland zu gehen, um in europäischen Haushalten zu arbeiten. Um ihren Familien eine bessere Zukunft zu ermöglichen, opfern viele Philippininnen ihre gute Ausbildung und übernehmen Hausarbeiten, für die sie zu Hause selbst eine Hilfe hatten.

Als sich rund siebzig Philippininnen 1992 in Barcelona versammelten, um Europas erstes Immigrantinnen-Netzwerk zu gründen, nannten sie es Babaylan. Dies ist ein Begriff für Heilerinnen, die respektierte Mitglieder der vorkolonialen philippinischen Gesellschaft waren und bei Konflikten vermittelten. Der historische Name wurde gewählt, da er würdevolle Entschlossenheit signalisiert, die eigene Situation zu verändern. Nach und nach wurden nationale Plattformen organisiert, die in einer oder mehreren philippinischen Frauenorganisationen im jeweiligen Land verankert sind. Heute arbeitet Babaylan in Europa, um durch rechtliche Verteidigung, Kapazitätenbildung, Lobby- und Informationsarbeit sowie Beratungsdienste die europäische Zivilgesellschaft, PolitikerInnen und Medien zu erreichen. Babaylan möchte verdeutlichen, dass Philippininnen sowohl hier in Europa als auch in ihrer Heimat die Entwicklung vorantreiben.

Haushaltshilfen und Au-Pairs als Adressatinnen

Viele Philippininnen, die in Europa leben, haben gute Jobs z.B. als Krankenschwestern oder Computerspezialistinnen. Die meisten von ihnen leben jedoch als Haushaltshilfen in Südeuropa, wo nicht nur junge Paare mit Kind, sondern auch SeniorInnen und Alleinstehende Hausangestellte beschäftigen.

Au-Pairs sind die neueste Ergänzung in der Landschaft der Arbeitsimmigrantinnen, und ihre Zahl reicht bereits ins Astronomische. In Dänemark beispielsweise waren Mitte 2009 75 Prozent aller Au-Pairs aus den Philippinen. Sie übernehmen eine der wichtigsten Aufgaben in der Gesellschaft, die Kindererziehung, und bekommen dafür nicht einmal eine faire Entlohnung, weil ihr Aufenthalt als kultureller Austausch gilt. Im Durchschnitt verdienen Au-Pairs in Europa im Monat 500 Dollar. Davon senden sie einen Großteil nach Hause, so dass ihnen selbst nur ein sehr geringer Betrag für ihre Bedürfnisse als Jugendliche in Europa bleibt.

Die Hauptziele für Au-Pairs sind Belgien, Dänemark, die Niederlande, Norwegen, Deutschland und Großbritannien. Schweden hat in letzter Zeit die Sperre der philippinischen Regierung zur Entsendung von Au-Pairs akzeptiert, die 1997 in Kraft trat, um den mutmaßlichen Missbrauch von Au-Pairs zu stoppen. Dies wird heute aber von den meisten EU-Staaten ignoriert. Aktuelle Diskussionen verweisen auf den negativen Effekt des Entsendungsverbotes für Au-Pairs. So muss am Flughafen von Manila jedes Au-Pair-Mädchen eine "Ausreisegebühr" an korrupte BeamtInnen der Migrationsbehörde bezahlen. Hinzu kommt noch eine "Vermittlungsgebühr" an diejenigen, die halfen, den Kontakt zur Gastfamilie herzustellen.
Obwohl Gruppen wie Babaylan durch Informationskampagnen, Beratung und direkte Gespräche aufklären und raten, diese Gebühren nicht zu zahlen, ist jedes Au-Pair, das das Land verlässt, bereits hoch verschuldet. Daher arbeiten manche Au-Pairs zusätzlich in der Illegalität, was mit der Abschiebung geahndet werden kann.

Hinzu kommt die Tatsache, dass Au Pairs als billige Arbeitskräfte in europäischen Haushalten fungieren, wo es kaum Überwachung oder Regelungen durch die Behörden gibt. Ihre Ausbeutung durch Anwerber und einige skrupellose Gastfamilien erfolgt durch die Nichteinhaltung von Verträgen, langen Arbeitszeiten, physischen und verbalen Missbrauch und Abschiebung. Es wird auch beobachtet, dass viele Au-Pairs zu undokumentierten Hausangestellten werden, vielleicht weil sie noch immer Schulden in der Heimat haben.

Zwischen fehlenden Rechten und wachsendem Ansehen

Das Babaylan-Netzwerk Europa betreibt Lobbyarbeit für eine gerechtere Vergütung gemäß der großen Verantwortung, für grundlegende Arbeitsrechte wie bezahlten Urlaub und gegen Besteuerung, Diskriminierung und Schikanen. Unsere Anstrengungen, eine Kampagne für die Ratifizierung des Europäischen Abkommens über die Beschäftigung von Au-Pairs zu führen, werden durch Widerstand z.B. der Niederlande und durch das philippinische Verbot behindert.

Neben Babaylan arbeiten auch weitere Vereinigungen wie die Kommission für philippinische migrantische ArbeiterInnen, Migrante International, Kalayaan etc. daran, die Rechte philippinischer MigrantInnen zu stärken. Sie kooperieren mit Gewerkschaften, PolitikerInnen, Medien, Kirchen und der Zivilgesellschaft, aber sie haben auch starke PartnerInnen zu Hause. Denn die Philippinen sind das Land mit den meisten Entwicklungs-NGOs weltweit.

Rücküberweisungen heben den Lebensstandard der Familien und sichern die Ausbildung der Kinder, aber es gibt auch positive Effekte für die einzelne Arbeitsimmigrantin. Durch die Stärkung ihrer wirtschaftlichen Position ist es ihr möglich, auch ihren Einfluss und ihr Ansehen in der Familie zu verbessern. Es ist besonders die Religion, die die Freiheit der Mädchen beschränkt. Doch die Erfahrungen in den hektischen europäischen Großstädten führen dazu, dass sich kulturelle Normen verändern, auch für die streng katholisch erzogenen Philippininnen vom Land. Der Einfluss der religiösen Instanzen bleibt aber auch in den ImmigrantInnen-Communitys bestehen, was schließlich dazu führen kann, dass die völlige Integration in die Gesellschaft des Gastlandes verhindert wird.

Rücküberweisungen: Wundermittel oder Gefahr?

Rücküberweisungen werden besonders von Arbeitsimmigrantinnen aus Europa in die philippinische Heimat getätigt, wobei oft große Opfer für die Familien erbracht werden. Mindestens 7,9 Prozent der philippinischen Familien erhielten 2008 als Haupteinnahmequelle Geld, Geschenke oder andere Formen von Unterstützung aus dem Ausland. Die Rücküberweisungen tragen somit auch dazu bei, die Armut zu senken. EuropäerInnen verfolgen diese Entwicklung aber oft mit Sorge. Wenn sich die Finanzkrise verschlimmert, könnten Rücküberweisungen zu einer magischen Entwicklungsformel werden, auf Kosten der offiziellen Entwicklungshilfe, die gekürzt werden könnte. Die philippinische Migrantin befindet sich deshalb in einer Zwickmühle. Einerseits wagt sie den mutigen Entschluss, zu emigrieren, lässt ihre Liebsten zurück, setzt sich ungeschützten Arbeitsbedingungen aus und riskiert sogar Menschenhandel, andererseits wird sie von Feministinnen aus dem Bereich der Entwicklungszusammenarbeit teilweise als Störfaktor in der Entwicklungsplanung gesehen.

Die europäischen BürgerInnen sollten sich fragen, ob es gerecht und moralisch vertretbar ist, dass junge Frauen aus so genannten Entwicklungsländern ihre eigene Karriere opfern und Reproduktionsarbeit leisten, damit europäische Frauen Karriere machen und gleichzeitig ihr Familienleben genießen können. Europäerinnen sollten sich mit den Immigrantinnen solidarisch erklären und gemeinsam für weltweites Empowerment von Frauen eintreten, auch wenn Arbeitsimmigrantinnen, wie das Netzwerk Babaylan zeigt, bereits selbst für Selbstbestimmung und globalen Wandel kämpfen.

Übersetzung Englisch–Deutsch: Bettina Moser


Dieser Beitrag erschien erstmals in: "Frauensolidarität", Nr. 109, 3/2009.

Filomenita Mongaya-Hoegsholmist Vorsitzende und Gründungsmitglied von Babaylan-Dänemark und Vorstandsmitglied bei Babaylan-Europa. Zudem ist sie Mitglied im Steuerungsausschuss von WIDE (Women in Development Europe). Sie lebt in Humlebaek bei Kopenhagen.