Wessen Körper, wessen Rechte?
Sexarbeit bedeutet nicht Gewalt gegen Frauen per se. Aber Gewalt vielfältiger Formen kann sich verschärfen: aufgrund der sozialen Marginalisierung, Diskriminierung und der fehlenden Anerkennung von Rechten. Wichtig ist es, eine klare Differenzierung zwischen Frauenhandel, Gewalt in jeglichem Sinn einerseits und (freiwilliger) Sexarbeit andererseits zu vollziehen.
Fehlende Rechte für SexarbeiterInnen führen zu einer Vermischung mit Frauenhandel und sexueller Gewalt. Wenn hingegen eine klare Abgrenzung erfolgt, wird Gewalt besser sichtbar und bekämpfbar. Sexarbeit muss als soziale Realität wahrgenommen und als Arbeit anerkannt werden. Im Zentrum soll die Wahrung der Frauen- und Menschenrechte von SexarbeiterInnen stehen – sie müssen das Recht haben, genau so wie andere ihr Leben selbstbestimmt und eigenverantwortlich gestalten zu können. Um unsere Positionierung auf den Punkt zu bringen:
- Die Ausweitung der Rechte von SexarbeiterInnen muss im Fokus stehen – nicht ein Verbot von Sexarbeit!
- Die Vorstellung von unmündigen SexarbeiterInnen, mit der ihnen jegliche Selbstbestimmtheit abgesprochen wird, scheint bei diversen Positionierungen dominant zu sein. Lebensrealitäten von SexarbeiterInnen werden ignoriert und verkannt. SexarbeiterInnen selber werden nicht gefragt, die Stimmen und Bedürfnisse der HauptakteurInnen nicht gehört.
- Sexarbeit zu verbieten, bedeutet u.a. die darin Tätigen unsichtbar zu machen und somit der Durchsetzung ihrer Rechte (Anzeigen bei Gewalt, ungerechte und unfaire Rahmenbedingungen etc.) keinen Raum anzubieten.
Dieser Kommentar basiert auf der Stellungnahme von LEFÖ – Beratung, Bildung und Begleitung für Migrantinnen zur Petition "Gesetzliches Verbot von Sexkauf in Österreich".
Doch die ökonomischen Verhältnisse haben es in der Geschichte immer wieder notwendig gemacht, dass Frauen sich ihren Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Sexualität verdienten. Fabrikarbeiterinnen etwa haben im 19. Jahrhundert ihr geringes Einkommen durch "Prostitution" erhöht, um überhaupt überleben zu können – sehr zur Freude der Fabrikanten, die den Frauen keine existenzsichernden Löhne zahlen mussten und ihre Profite dadurch steigern konnten.
Diese Enteignung von Frauen, in Europa verschärft seit 1989, global seit dem uneingeschränkten Siegeszug des Neoliberalismus, der bisher in der Geschichte unbekannte Ungleichheits- und Ausbeutungsverhältnisse erzeugt hat, liegt Prostitution/Sexarbeit zugrunde und wird so schnell nicht zu beheben sein. Diese Verhältnisse müssen wir bekämpfen – nicht die "Prostitution", denn dies würde den sexarbeitenden Frauen die Lebensgrundlage entziehen. Zu bedenken ist auch, dass unsere europäischen, christlich geprägten, körperfeindlichen und arbeitsfetischistischen Gesellschaften einen abgespaltenen und instrumentalisierenden Umgang mit Sexualität begünstigen.
Angesichts dieser Realitäten müssen die Rechte von Sexarbeiterinnen ausgebaut werden, um ihre konkreten Arbeits- und Lebensbedingungen zu verbessern. Zu diesen gehört auch, dass wir Feministinnen der Mehrheitsgesellschaft nicht in den Chor derjenigen einstimmen, die die Arbeit von Prostituierten/Sexarbeiterinnen diskriminieren und stigmatisieren. Wir sollten damit aufhören, feministische Positionen als unversöhnlich gegeneinander zu stellen und unsere widersprüchlichen Denkweisen auf unterschiedlichen Ebenen – Utopie vs. gesellschaftliche Wirklichkeiten – ansiedeln lernen.
Hilde Grammel ist Mitbegründerin der "Plattform 20.000 Frauen" und bei den KPÖ-Frauen aktiv.