Queer Politics im Exil und in der Migration
Frauen im Exil und in der Migration haben nicht nur mit Unsichtbarmachung und Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts zu kämpfen. Vielmehr sehen sie sich mit ständiger Kontrolle und Regulierung ihres Bewegungsraumes aufgrund des Status als "Ausländerin" konfrontiert. Eine Repräsentation ihrer Stimmen auf politischer oder diskursiver Ebene findet in Öffentlichkeit wie Gegenöffentlichkeit kaum statt. [1] Anthologien wie "Talking Home. Heimat aus unserer Feder. Frauen of Color in Deutschland" [2] gehören zur Ausnahmeerscheinung in der deutschsprachigen Publikationslandschaft.
Hinter jeder Publikation oder Ausstellung von Migrantinnen oder Frauen im Exil liegt ein langer Verhandlungsweg. Das Sichtbarmachen des Denkens und Handelns exilierter und immigrierter Frauen in der deutschsprachigen Öffentlichkeit ist eng verbunden mit ihrem Zugang zu materiellen und politischen Ressourcen. [3] Äußerst schwierig ist es insbesondere dann, wenn sie mit ihren Werken nicht zur Reproduktion vorherrschender stereotyper Bilder der "unterdrückten, unterwürfigen und selbstlosen Frau aus dem Süden" oder zur hegemonialen Kulturalisierung des Sozialen beitragen. Sie haben mit einer Unsichtbarmachung zu kämpfen, die nicht nur Ergebnis einer männerdominierten Veröffentlichungsindustrie ist, sondern auch Resultat einer weiterhin fehlenden substanziellen Auseinandersetzung in feministischen, linken und queertheoretischen Kreisen mit der Migrationsgeschichte der Bundesrepublik und Rassismus als strukturellem Gewaltverhältnis.
In Publikationen oder öffentlichen Debatten zu Lesben und Schwulen taucht der Alltag lesbischer, schwuler, bisexueller oder transsexueller Migrantinnen und Flüchtlinge fast ausschließlich als multikulturelles Accessoire oder als Problemfall auf. Zum Problem wird es, wenn Flüchtlinge und Migrantinnen nur bei Themen wie Asyl Erwähnung finden, bei anderen Themen wie Sexualität, Beziehung, Erziehung oder allgemeiner Politik hingegen nicht präsent sind. Auch auf CSD-Plakaten wird gerne auf die "multikulturelle" Beschaffenheit der Szene verwiesen. Doch wo bleiben die theoretischen Auseinandersetzungen in der Queerbewegung mit dem Schwarzen Feminismus und den Schriften von Migrantinnen? Die Auseinandersetzung mit Konzepten wie dem Gloria Anzaldúas oder Cherrie Moragas "Queer of Color", die Rassismus, Kolonialismus und Antisemitismus als konstitutive Bestandteile der westlichen Gesellschaft betrachten, findet bis heute kaum Beachtung. Im Exil und in der Migration lesbisch lebende Frauen erfahren auf diese Weise eine Verobjektivierung. Sie werden als Transporteurinnen ethnisierter Kollektive repräsentiert. In ihrer individuellen Lebenskomplexität werden sie nicht wahrgenommen.
(Kein) Recht auf Asyl
Die Gründe, die lesbische Frauen veranlassen, das Land, in dem sie bisher ihren Lebensmittelpunkt hatten, zu verlassen, sind vielfältig und komplex: Verfolgung, Inhaftierung, drohende Zwangsverheiratung, drohende Psychiatrisierung, eine Beziehung oder Freundschaft zu einer deutschen Frau, familiäre Bindungen oder das Wissen, dass Deutschland ein Land ist, in dem ein Leben als Lesbe, wenn nicht frei von Diskriminierungen, so doch möglich ist. [4]
Im Iran sind Lesben von der Todesstrafe bedroht. In einigen lateinamerikanischen Ländern existieren noch Todesschwadrone: Die beiden ersten feministischen Lesbentreffen Lateinamerikas und der Karibik, 1989 in Mexiko und 1990 in Costa Rica, mussten unter extremen Sicherheits- und Geheimhaltungsmaßnahmen seitens der Teilnehmerinnen (Lesben) abgehalten werden. Costa Ricas Regierung versuchte das Treffen u.a. dadurch zu verhindern, dass es seine Botschaften anwies, keine Visa an "verdächtig aussehende Frauen" zu erteilen. [5] Darüber hinaus ist es häufig so, dass Lesben, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verfolgt und misshandelt werden, in den Strafgesetzbüchern keine Erwähnung finden. Zumeist werden sie als "Prostituierte", "Perverse" oder "Kriminelle" verfolgt und verhaftet oder als "Geisteskranke" pathologisiert und in psychiatrischen Kliniken inhaftiert. Unterdrückung funktioniert, so Judith Butler, "nicht nur durch offene Verbotsakte (…) Lesbianismus wird zum Teil deshalb nicht ausdrücklich verboten, weil er nicht einmal in das Denkbare, Vorstellbare vorgestoßen ist, in jenes Netzsystem kultureller Verständlichkeit, die das Reale und das Aussprechbare reguliert". [6]
In Deutschland existiert prinzipiell die Möglichkeit, bei Verfolgung aufgrund sexueller Orientierung Asyl zu erhalten. De facto haben es jedoch nur einzelne Frauen geschafft, die juristischen Hürden zu nehmen die zu einem sog. legalen Aufenthalt in Deutschland führen. Die Beweislast, die auf der einzelnen Frau lastet, führt nicht nur zu einem Wiedererleben von Erniedrigungen und Demütigungen, sondern definiert die Frauen über einen neuen Status, der vom Staat diktiert wird und von seiner "Gnade" abhängt.
Die Frau, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung das Recht beansprucht, Asyl zu begehren, muss zuerst beweisen, dass sie tatsächlich verfolgt wurde. Dies ist nicht ganz einfach, denn wie bereits erwähnt, taucht in meisten Gesetzbüchern die Verfolgung von Lesben nicht explizit auf. Kann die Frau nicht beweisen, dass sie verfolgt wurde oder ihr Verfolgung droht, so wird der Antrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Wenn die Verfolgung glaubhaft nachgewiesen werden kann, muss infolge dargelegt werden, dass die zu erwartende Strafe bzw. Bedrohung bei entdeckter Homosexualität im Herkunftsland offensichtlich hart ist (zur aktuellen Asylpraxis bei LGBTI-Flüchtlingen in Deutschland siehe auch den Beitrag "Rosa gestempelt" von Vina Yun). Was nun "offensichtlich hart" ist, beurteilen die deutschen Gerichte und nicht etwa die betroffene Frau.
Klassifikationssysteme und Anrufungspolitiken von "AusländerInnen"
Lesbische Frauen in der Migration und im Exil erfahren auf unterschiedlichen Ebenen eine Verobjektivierung im Sinne staatlicher Anrufungspolitiken. [7] Die Anrufung ereignet sich vordergründig auf der Basis eines dualen Klassifikationssystems: "Ausländer" versus "Inländer". [8] Der Status der "Ausländerin" benennt das vom Staat definierte Verhältnis eines Individuums zu einem Land. In diesem Fall markiert das "Aus" die Position des Außen: "Aus". Weiterhin verweist er auf einen direkt staatlichen Eingriff in die Bewegungs- und Definitionsmacht eines Individuums. Die "Ausländerin" fungiert demnach als Element eines Regulationsregimes und insbesondere als Ordnungs- und Kontrollkategorie. Über sie werden Menschen aus den angeblich universellen Menschen- und BürgerInnenrechten ausgesondert und über weitere, ausdifferenziertere Kategorien klassifiziert: EU-Ausländer, angeworbener Ausländer, anerkannter Flüchtling, ad-hoc-Flüchtling und Asylbewerber. Mit dem Status der "Ausländerin" konfrontiert zu sein, heißt, eine vom Staat aufgeworfene Identität übergestülpt zu bekommen. Als solches konstruiert er die Selbstwahrnehmung und die Handlungsstrategie von Individuen im Exil und in der Migration. [9]
Im deutschen Kontext bezeichnet die "Ausländerin" daher nicht einfach eine aus dem Ausland kommende Reisende, sondern sie markiert vielmehr den Ausschluss aus der hegemonialen, ethnisch definierten Gemeinschaft des "deutschen Volkes". Diese Ausgrenzung wird nicht nur über Gesetze geregelt, sondern insbesondere über die Konstruktion der "Ausländerin" als die "Andere" im Sinne der "Fremden". Um ihre "Andersheit" zu vereindeutigen, werden ihr rassisierte und ethnisierte Merkmale zugeschrieben.
Neuere Entwicklungen im Einbürgerungsrecht verkomplizieren das Bezeichnungsverhältnis, da die "Ausländerin" zunehmend zur "Deutschen" mutiert. In den 1990er Jahren ist die Zahl der Einbürgerungen, insbesondere bei MigrantInnenkindern, gestiegen. Zunehmend finden wir Inhaberinnen eines Doppelpasses. Dies führt zu absurden Markierungspraktiken innerhalb der als "deutsch" bezeichneten Gemeinschaft. Im Februar 2000 machte der "Spiegel Report" auf einen Bericht zur Integration von Ausländern mit der Überschrift: "Fremd und deutsch" aufmerksam. Mit dieser Überschrift verweist die Zeitschrift zwar auf die paradoxe Situation, in der sich MigrantInnenkinder in der Bundesrepublik bewegen, die als "Fremde" und "Ausländer" bezeichnet werden, obwohl sie nie die Bundesrepublik verlassen haben, d.h. hier aufgewachsen sind.
Dynamiken des "Aufgeworfenen" und "Verworfenen"
Wir bezeichnen die Etablierung von Identitäten mittels Evozierung eines juridischen Subjekts im performativen Namen, z.B. der "Ausländerin" oder der "Lesbe", durch staatlich-institutionelle Praktiken als Aufwerfung. Das Moment der Verwerfung hingegen beinhaltet einen Anerkennungsprozess des Subjektes, das sich in der Dialektik des Eigenen und des Anderen erschafft. In dieser Dialektik wird das Andere verworfen, um das Eigene als Einheit zu bilden. Auch die "Ausländerin" wird in dieser Dynamik erzeugt: Erst durch das Vorhandensein des "Ausländers" als Negation des "Inländers" bestimmt sich der "Inländer" als Staatsbürger. Das Moment der "Aufwerfung" ist mit dem Moment der "Verwerfung" verschränkt, beide bedingen sich gegenseitig, beide stellen Instanzen von Herrschaft und Macht dar. Denn die intersubjektive Verwerfung erfolgt durch die staatlich vermittelte Aufwerfung.
Die Position der "Ausländerin" weist Parallelen zur Position der "Lesbe" auf, doch ist erstere mit dem Akt der Verwerfung, in dem die Lesbe konstruiert wird, nicht identisch. Denn der Akt der Verwerfung, in dem die "Ausländerin" konstruiert wird, geht nicht mit einem Verschweigen, einem Verdrängen oder einem Nicht-Lebbaren einher. Die "Ausländerin" konstituiert sich zwar in einem negativen Verhältnis zur "Inländerin", jedoch ist dieser Akt der Verwerfung unter einer hegemonialen Identität gerade durch das Moment einer auf Sichtbarmachung basierenden staatlichen Zuschreibungspraxis bestimmt.
Die Linie zwischen dem Moment der "Aufwerfung" und der "Verwerfung" in der Herstellung der Position der "Lesbe" oder der "Ausländerin" ist schwer zu ziehen. Denn beide Momente konstituieren den Subjektivierungsprozess im Name der "Lesbe" oder der "Ausländerin" und tragen die Effekte von staatlichen Ein- und Ausschlussmechanismen in sich. [10] Die staatliche Evozierung der "Lesbe" ereignet sich jedoch in einem anderen Bezeichnungskontext und rekurriert auf spezifische Markierungselemente, die nur geringfügig auf Visualisierung basieren. Ihre Sichtbarkeit ist gerade durch die ihr auferzwungene Unsichtbarkeit konstituiert. Die "Aufwerfung" dieser Identität vollzieht sich daher in der Ambivalenz der offiziellen Zuschreibung einerseits und des verordneten Verschweigens andererseits. Die Identität der "Lesbe" bezeichnet daher nicht nur eine "sexuelle Präferenz", sondern zugleich ein Zwangsverhältnis, das in der Identitätslogik einer heteronormativen Gesellschaftsordnung zum Ausdruck kommt.
Vom Staat als "Ausländerin" angerufen zu werden, bringt andere Herrschaftseffekte mit sich als die entkontextualisierte Evozierung der "Lesbe". [11] Beide Positionen unterscheiden sich in Ihrem geschichtlichen, politischen und symbolischen Entstehungsrahmen. Die "Ausländerin" bewegt sich in einem Raum, der über widerstreitende Momente der Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit gekennzeichnet ist. Ihre Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit wird über ethnisierende und rassialisierende Diskurse visualisiert und ist der Definitionsmacht und den Verbreitungsressourcen der hegemonialen Gruppen unterworfen. Im Vergleich hierzu hat die Identität der Lesbe im Zuge der Lesbenbewegung eine positive und offensive Bedeutungsverschiebung erfahren. Sie vermittelt Spuren einer widerständigen Praxis und der Selbstbestimmung. [12]
Widerständige Identitäten
Lesbisches Begehren im Kontext von Asyl und Migration öffentlich zu machen, heißt mit Mechanismen der erzwungenen Benennung, der staatlichen Kontrolle und Regulierung konfrontiert zu werden. Das Konzept der Lesbe ist – wie der Begriff selbst – eine westliche Erfindung. Viele lehnen deswegen den Begriff Lesbe ab. "Some women reject the word 'lesbian', seeing it as a Western concept and not reflective of their reality. For example, some Maori and Canadian women may prefer to be called two spirited, a word borrowed from North American indigenous sisters." [13] Lesben in Serbien fordern etwa, dass internationale Dokumente die Bezeichnung "Lesben, allein stehende Frauen und von Männern unabhängige Frauen" enthalten sollen. Diese Bezeichnungen „beziehen quantitativ mehr von uns ein, zum einen, weil wir uns selbst so bezeichnen, und zum anderen, weil die Regierung uns bei der Diskriminierungen als Gruppe betrachtet". [14] Nicht zuletzt haben frauenliebende Frauen im Exil und Migrantinnen das westliche Konzept von "Lesbischsein" hinterfragt. Sie sind also nicht nur Opfer der herrschenden Verhältnisse, der hegemonialen Diskurse, sondern auch Widerständige: Immigrierte, exilierte und in der Diaspora lebende Lesben kreieren neue politische Identitäten wie zum Beispiel "Queers of Color".
Lesben im Exil sprengen die Normalität und erfinden sie damit gewissermaßen doppelt neu. Denn auf der einen Seite wird das Konzept der Lesbe als westlich kritisiert, auf der anderen Seite wird gegen den Vorwurf von Mitgliedern der Herkunftskultur angegangen, dass lesbische Liebe eine Perversion westlicher Frauen sei. "Eine allgemein verbreitete Einstellung gegenüber Lesben macht schwarze Lesben sehr wütend. Es wird behauptet, wenn du eine Schwarze bist und gleichzeitig Lesbe, versuchst du eine Weiße zu sein. Gegen diese Vorstellung, dass Lesbisch-Sein ein kulturelles Phänomen ist, das von weißen europäischen Frauen importiert wurde, haben schwarze Frauen viel zu kämpfen. Schwarze Lesben in Südafrika haben kein Wort für 'Lesbe' und keinerlei Orte, wo sie es leben können, nichts.“ [15] Das Leben in Deutschland als offen lebende Lesbe bedeutet deswegen häufig ein Abwenden von der eigenen Herkunftskultur. Stehen anderen Frauen im Exil die Mitglieder der eigenen Community zur Seite und erleichtern zumindest die erste Zeit im Exil, so ist es nicht selten, dass lesbische Frauen keine oder kaum Kontakte zur eigenen Herkunftscommunity haben oder suchen.
Aber auch die deutsche Lesbensubkultur erweist sich häufig als ein "Ort-Nirgends". Zwei lesbische Migrantinnen beschreiben dies folgendermaßen: "Die Lesbenzusammenhänge, in denen wir zumindest den lesbischen Teil unserer Identität glaubten ausleben zu können, entpuppten sich auch bald als äußerst unwirtliche Orte. An diesen sehen sich Lesben einer anderen kulturellen Herkunft von seiten der deutschen weißen christlich sozialisierten Lesben, die die Mehrheit darstellen, einem permanenten Assimilierungsdruck ausgesetzt. Wenn sie es nicht schaffen oder aber es ablehnen, sich den vorherrschenden Verhaltens- und Denkmustern anzupassen, werden sie ausgegrenzt. Der Rassismus in diesen Lebenszusammenhängen erinnert in seinen Konsequenzen an Christa Wolfs 'Kein Ort. Nirgends', zumindest was dieses Thema der gleichzeitigen Unsichtbarkeit als Lesbe und als Migrantin in der weißen deutschen Frauenszene und in der Herkunftsgemeinschaft angeht." [16]
Uneindeutige Utopien
Die gleichzeitige Markierung als "Lesbe und "Ausländerin" zeigt die Flüchtigkeit beider Identitäten auf. Hier liegt die Chance für politisches Handeln im Sinne von Widerstand. "Kein Ort. Nirgends" ist Utopie. Und so beschreiben die Herausgeberinnen der Anthologie "Talking Home. Heimat aus unserer eigenen Feder. Frauen of Color in Deutschland." in ihrem Vorwort:: "Wir waren müde, keine Stimme zu haben. Es konnte doch nicht sein, dass uns nicht gab?" [17]
Die Notwendigkeit der Suche nach dem Ort, von dem gesprochen werden kann, nach dem Namen des Subjekts, das spricht, ist die utopische Suche nach der eigenen selbstbestimmten Identität, die in der Konsequenz die dominante, hegemoniale ins Wanken bringt. "Das Politische besteht in dieser Sicht gerade darin, Identitäten antagonistisch, d.h. im ständigen Wettstreit um deren Grenzen immer wieder neu auf einem prekären und jederzeit anfechtbaren Terrain zu konstituieren." [18] Sich auf eine homosexuelle Identität zu beziehen, bedeutet also, sich auf der Basis einer dualen Identitätslogik zu bewegen – einer Logik, die von der Existenz der Heterosexualität ausgeht, gegen die und kraft derer eine Identität als Lesbe oder Schwuler formiert wird. Für den Kampf der Lesben- und Schwulenbewegung um Sichtbarkeit homosexuellen Begehrens bedeutet dies, dass ihre Aktionen in dieser Identitätslogik verfangen bleiben, die immer wieder dekonstruiert werden muss. Das heißt auch, die "totalisierenden Effekte der eigenen Diskurse" [19] zu erkennen.
Dies ist heute weiterhin in einem Europa aktuell, das sich gleichzeitig national und international organisiert, von Re-Nationalisierung wie Globalisierung bestimmt ist. In diesem Kontext bedeutet die Forderung nach politischen Rechten immer, sich auch vor Augen zu führen, in welchem lokalen und globalen Kontext sie entstanden und eingebunden sind, d.h., welche Ein- und Ausschlüsse sie produzieren. Es ist schließlich und endlich die Frage nach der Neuformulierung von utopischen Visionen, die prozesshaft und nicht totalitär, die brüchig und nicht eindeutig sind. [20]
Der Originaltext erschien in: quaestio (Hg.): "Queering Demokratie. Sexuelle Politiken", Berlin: Querverlag 2000. Gekürzte und redigierte Fassung durch migrazine.at.
Fußnoten:
[1] Vgl. Encarnación Gutiérrez Rodríguez: Intellektuelle Migrantinnen. Subjektivitäten im Zeitalter der Globalisierung. Eine dekonstruktive postkoloniale Analyse von Biographien im Spannungsverhältnis von Ethnisierung und Vergeschlechtlichung. Opladen 1999.
[2] Olumide Popoola/Beldan Sezen: Talking Home. Heimat aus unserer eigenen Feder. Frauen of Color in Deutschland. Amsterdam 1999.
[3] Vgl. Encarnación Gutiérrez Rodríguez: "Die Subalterne kann nicht sprechen. Über Intellektuelle und die Macht der Repräsentation", in: Jo Schmeiser/Marth (Hg.innen): Zeitschrift zur antirassistischen Öffentlichkeit. Wien 1999.
[4] Vgl. María do Mar Castro Varela: "Queer the Queer! Queer Theory und politische Praxis am Beispiel Lesben im Exil", in: beiträge zur feministischen theorie und praxis, Nr. 52/1999, S. 29–40.
[5] IAF e.V. (Hg.): Homo Migrans. Liebe ohne Grenzen. Zur Situation binationaler lesbischer und schwuler Partnerschaften. Bremen 1996, S. 8.
[6] Judith Butler: "Imitation und die Aufsässigkeit der Geschlechtsidentität", in: Sabine Hark (Hg.in): Grenzen lesbischer Identität. Berlin 1996, S. 15–37, S. 24f.
[7] Louis Althusser: Ideologie und ideologische Staatsapparate. Hamburg 1977.
[8] Vgl. Sedef Gümen: "Das Soziale des Geschlechts", in: Das Argument:: Grenzen, Nr. 224/1998, Heft 1–2, S. 187–202.
[9] Vgl. Encarnación Gutiérrez Rodríguez: "Akrobatik in der Marginalität – Zu Produktionsbedingungen intellektueller Frauen im Kontext der Arbeitsmigration", in: Cathie Gelbin/Kader Konuk/Peggy Piesche (Hg.innen): Marginale Brüche. Berlin 1999.
[10] Dies.
[11] Dies.
[12] Christiane Leidinger: Politisierungsprozesse von Lesben, in: beiträge zur feministischen theorie und praxis, Nr. 52/1999, S. 93–106.
[13] ILIS (International Lesbian Information Service) (ed.): Lesbian Rights Are Human Rights. Amsterdam 1995, S. 3.
[14] Jelica Todosijevic: Ein Bericht über Lesben in Jugoslawien, in: Ihrsinn, Nr. 12/1995, S. 83–94, S. 93.
[15] Elke Amberg: Frauenliebe in Südafrika, in: Ihrsinn, Nr. 12/1995, S. 100–103, S. 95.
[16] Selmin Caliskan/Modjgan Hamzhei: "… und alle bunten Steine fügen sich zu einem Mosaik zusammen", in: beiträge zur feministischen theorie und praxis, Nr. 42/1996, S. 91–97, S. 92.
[17] Popoola/Sezen 1999, wie Anm. 2.
[18] Sabine Hark: Deviante Subjekte. Die paradoxe Politik der Identität. Opladen 1999, S. 166.
[19] Ebd., S. 17.
[20] Vgl. María do Mar Castro Varela/Kader Konuk: Die andere Frau (wider)spricht, in: beiträge zur feministischen theorie und praxis, Nr. 40/1995, S. 25–32; María do Mar Castro Varela: "Migrantinnen und utopische Visionen. Eine interdisziplinäre Annäherung", in: Psychologie & Gesellschaftskritik, Nr. 3/1999, S. 77–89.