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Lässt sich Krieg kuratieren?

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von Simone Bader
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"Private View - Secret Weapon" von Ana Hoffner ex-Prvulovic*, Ausstellung "Krieg Kuratieren".
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"Private View - Secret Weapon" von Ana Hoffner ex-Prvulovic*, Ausstellung "Krieg Kuratieren".
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Am 23. März 2020 rief António Guterres als Generalsekretär der Vereinten Nationen zu einem globalen Waffenstillstand1 auf und forderte das Ende aller Kampfhandlungen: „Wir müssen die Krankheit des Krieges beenden und die Krankheit bekämpfen, die unsere Welt verwüstet. Es beginnt damit, dass wir die Kämpfe überall stoppen. Und zwar sofort.“ Die Kämpfe mit chinesischen Ming-Loong-II-Drohnen, mit denen General Haftar von den Vereinigten Arabischen Emiraten ausgestattet wurde, und mit türkischen Bayraktar-TB2-Drohnen, die auf der libyschen Regierungsseite im Einsatz sind und von Katar bezahlt wurden, gehen trotz dieses Aufrufs weiter. Am 1. April griff erstmals ein türkisches Kriegsschiff mit Boden-Luft-Raketen gegen Haftars Drohnen ein.2

Schon bei der Wienwoche 2018 und dieses Jahr im Kunstraum Innsbruck wirft die Künstlerin und Kuratorin Ezgi Erol einen prüfenden Blick auf Kunstproduktion und Kunstmarkt, ihre Komplizenschaft mit Waffenhandel und Krieg und zeigt Arbeiten von internationalen Künstler_innen, die sich in der Ausstellung Krieg kuratieren kritisch mit diesen problematischen Verflechtungen auseinandersetzen.

Private View – Silent Weapon von Ana Hoffner ex-Prvulovic* stellt die Geschichte der Kunststiftung und Kunstsammlung TBA21 Thyssen-Bornemisza Art Contemporary, die 2002 von Francesca Habsburg gegründet wurde, der Geschichte der Produktion von U-Booten durch das deutsche Unternehmen ThyssenKrupp Marine Systems gegenüber. Vor der Gründung der TBA21 war Francesca Habsburg bereits Kuratorin der Kunstsammlung ihres Vaters Hans Heinrich Thyssen-Bornemisza in Lugano. Die Installation an einer dunkelgrau gestrichenen Wand besteht aus zwei zentral gehängten, jeweils 60 mal 40 Zentimeter großen, gerahmten Drucken, die wie Firmengeschichten anmuten. Einer der Drucke wird von einem Schwarz-Weiß-Porträt von Francesca Habsburg gekrönt, der andere von einer Fotografie des ehemaligen Kulturstadtrats Andreas Mailath-Pokorny bei der Überreichung des Goldenen Verdienstzeichens des Landes Wien an Francesca Habsburg im Jahr 2009. 

Durch diese Auszeichnung fühlte sich Francesca Habsburg in ihrer Arbeit mit TBA21 als Teil des kulturellen Lebens in Wien. Sie sagte in ihrer Dankesrede: „Bis jetzt hatte ich allerdings immer das Gefühl, dass unser Beitrag nicht sichtbar wahrgenommen wurde! Diese Auszeichnung hat das geändert! Ich freue mich sehr darüber!"3 Ihre Sammlung hat sie dennoch aus Wien abgezogen und für zumindest fünf Jahre als Leihgabe an die Prager Nationalgalerie gegeben.4 Das Büro, von dem aus Habsburg Ausstellungen organisiert, ist noch in Wien und Teile der Sammlung befinden sich in ihrer Wohnung, wie die Beispiele aus dem Wohnmagazin der hier besprochenen Installation zeigen werden.

Die grafisch an eine Firmengeschichte erinnernde Gegenüberstellung mit den Schwarz-Weiß-Fotografien zeigt die Verträge und Lieferketten des U-Boot-Typs 214 von ThyssenKrupp und die zeitlich entsprechenden Kollaborationen der Kunststiftung TBA21 auf. Unter dem Porträt von Francesca Habsburg stehen Werbetexte, die die Unsichtbarkeit des U-Boots anpreisen, neben einer Liste von Teilnahmen von ThyssenKrupp an internationalen Waffenmessen.

Die vier, jeweils 30 mal 40 Zentimeter großen Drucke auf hellblauem Acrylglas zeigen weißen Text auf schwarzem Grund. Es handelt sich um Zitate von Francesca Habsburg zum neu eröffneten Ocean Space in Venedig und zum Engagement der Stiftung in Klimafragen.

Auf zwei gerahmten Abbildungen aus einem Wohnmagazin, jeweils 21 mal 29 Zentimeter groß,  präsentiert Francesca Habsburg Arbeiten aus ihrer Kunstsammlung als Teil der Innenausstattung ihrer Wiener Wohnung im 1. Bezirk.

Die erste Seite aus Elfriede Jelineks Stück Rechnitz (Der Würgeengel), das sich mit dem Massaker an jüdischen Zwangsarbeiter_innen im Schloss Rechnitz befasst, an dem Margit von Batthyany (geborene Thyssen-Bornemisza und Francesca Habsburgs Tante) beteiligt war, ist ebenfalls ein zentraler Bestandteil der Wandinstallation.

Plastisch wird die Installation schließlich durch die roten und grünen Bündel aus Strohhalmen und die beiden hellgrauen Plastik-Bauteile zu einem U-Boot, die die gerahmten Arbeiten überragen. Das U-Boot-Bau-Set spannt einen seltsamen Bogen zum Zitat am Ende der Zitatensammlung zum Ocean Space in Venedig, in dem es auf Englisch heißt: „My father said: The advantage of being financially independent is that you can do whatever you want. I can always change my opinion and my topics. But we have a network that is constantly growing. The doors of MIT and Harvard are open. Sometimes I feel like a child in a toy store. I was never really in a university and now I meet all these wonderful people who open new corridors.“

Die Verknüpfung von finanziellen Mitteln, die aus der Kriegswirtschaft generiert wurden, mit Gegenwartskunst und der Repräsentation einer Sammlung zeigt auch die Debatte um die Friedrich Christian Flick Collection. 

Als die Sammlung ab 2004 im Hamburger Bahnhof gezeigt wurde, brach eine heftige Debatte aus.5 Flick wurde vor allem vorgeworfen, dass sein Vermögen aus den Geschäften seines Großvaters Friedrich Flick stammt, der als Rüstungszulieferer im Dritten Reich etwa 40.000 Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge ausbeutete. Friedrich Christian Flick wurde auch vorgeworfen, dass er nie in den Zwangsarbeiterfonds eingezahlt hatte. Seine Sammlung in Berlin öffentlich zu zeigen, wurde als Versuch gewertet, die Sammlung von ihrer Assoziation mit Nazi-Verbrechen zu befreien. Was etwa der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Salomon Korn, als „ideelle Wertsteigerung“ bezeichnete.6

Die Rieckhallen, damals im Besitz der bundeseigenen Deutschen Bahn, ließ Friedrich Christian Flick 2004 als Teil des Hamburger Bahnhofs in Berlin auf eigene Kosten, für mehr als 7,5 Millionen Euro, renovieren.7 2007 verkaufte die Bahn das Gelände an die Wiener Immobilienfirma CA Immo. Seitdem besteht ein Mietvertrag, den CA Immo nicht mehr verlängert, sondern die Rieckhallen ab 30. September 2021 abreißen lassen will.

 

Links

1https://unric.org/de/guterres-aufruf-zu-einem-globalen-waffenstillstand/

2Analyse vom 16. April 2020 von Gudrun Harrer: https://www.derstandard.at/story/2000116887175/bombenhagel-und-corona-in-tripolis

3https://www.wien.gv.at/presse/2009/11/26/hohe-auszeichnung-fuer-francesca-habsburg-im-wiener-rathaus

4https://wien.orf.at/v2/news/stories/2825071/

5https://arthist.net/reviews/479

6https://www.sueddeutsche.de/kultur/eroeffnung-der-friedrich-christian-flick-collection-fesseln-der-familienbande-1.896263

7https://www.deutschlandfunkkultur.de/elke-buhr-zur-flick-collection-das-hat-berlin-in-den-sand.1013.de.html?dram:article_id=475451

 

 

 

 

 

 

 

Simone Baderist Künstlerin und arbeitet im Team 
der textuellen Bildhauerei an der Akademie der 
bildenden Künste Wien. Seit 1992 arbeitet sie 
gemeinsam mit Jo Schmeiser als Klub Zwei an der
Schnittstelle von Kunst, Film und neuen Medien: www.klubzwei.at