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Wenn wir uns Zeit nehmen, um zu feiern, hat es etwas Subversives an sich.

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von Lia Kastiyo-Spinósa und Luzenir Caixeta
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© Pat Costa
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Lia Kastiyo-Spinósa, migrazine Redakteurin und aus der dritten Generation von maiz, trifft Luzenir Caixeta, Mitbegründerin von maiz, zu einem Gespräch über Feiern als Widerstand, Mut, Irritation, Privilegien und mehr. Silvia Ronchetti hat das Gespräch transkribiert und redaktionell aufbereitet.

Luzenir:  Dann beginne ich einmal. Was ist maiz? maiz ist ein Kollektiv, das ohne große Ansprüche gegründet wurde - außer dazu beizutragen, die Welt zu verändern. Und das heute noch existiert! Unglaublich, nach 30 Jahren. maiz hat es geschafft, durch uns und viele andere, Geschichte zu schreiben. Aber es “gehört” nicht uns, weder in seinen Ursprüngen noch in seinen vielen Entfaltungen. Es ist eine Art symbolischer Konstruktion, an der wir alle teilhaben, ob wir noch direkt beteiligt sind oder nicht. Eine symbolische Konstruktion, die kontinuierlich neu aufgebaut wird.

Lia: Der ständige Prozess des Werdens…

Luzenir: Genau. (beide lachen) Und das finde ich wichtig zu betonen, es ist ein stetiger Versuch. Wir haben 30 Jahre lang Versuche gemacht, auch viel experimentiert. Es ging uns darum, andere Wege des Zusammenlebens zu finden. Disruptive Wege, in der Welt zu sein, die sich den alten und den aktuellen rassistischen und rassifizierenden Logiken widersetzen. Andere Wege, sich um den zerstörten Planeten, betroffene Menschen und um uns selbst zu kümmern. Es waren Versuche, die kapitalistisch-neoliberale Herrschaftsordnung zu stören, zu ärgern, zu verblüffen, zu beeinflussen… Und hier habe ich sehr an ein brasilianisches Lied gedacht, dass ich wirklich schön finde (Luzenir fängt an zu singen: Eu nao posso mudar o mundo, mas eu balanço, mas eu balanço, mas eu balanço o mundo). La conoces? Auf Deutsch heißt es, „Ich kann die Welt nicht verändern, aber ich bewege, ich bewege, ich bewege die Welt“. „Balançar“, heißt „bewegen“, heißt aber auch zum Beispiel „schaukeln“ oder „stoßen“. Ich kann mich bewegen, ich kann aber auch etwas bewegen. Zum Beispiel, um ein Objekt zu bewegen, wenn ich nicht die Kraft habe, es auf einmal zu bewegen: Dann kann ich es anstoßen, bis es beginnt, ganz langsam, sich zu bewegen. Ich finde, das passt gut zu unserer 30-Jahr-Feier. Wir können die Welt nicht verändern, aber dazu beitragen, dass sie verändert wird. Das Lied ist von einer jungen Sängerin aus Nordost-Brasilien (Juliana Linhares, Balanceiro), und es ist auch total schön zum tanzen.

Lia: Super, das nehmen wir für die Feier.

Luzenir: Es ging uns also um Bewegen im Sinne einer disruptiven Intervention, einer transformativen sozialen Bewegung. Das Verhältnis zwischen der Utopie, dem großen Wunsch, und dem, was tatsächlich möglich ist - was immer ziemlich weit entfernt voneinander ist. Aber trotzdem dabei zu bleiben, das vielleicht Wenige, was möglich ist, trotzdem zu machen - und weiter und weiter dranzubleiben. Ich denke, das ist, was immer noch versucht wird. Oder wie siehst du das, Lia? Du bist ja eine der Jüngsten bei maiz.

Lia: Ja, maiz ist so alt wie ich (beide lachen). Für mich ist interessant was du sagst, das Konzept des „ständigen Prozess des Werdens“ ist ja auch Teil des Mottos des Jahresbildes 2024 von maiz. Und es ist auch das Konzept der Caracol (Spanisch: Schnecke), wo es kein Ende gibt, es ist immer im Laufen. Das, was passiert ist, kann wieder passieren. Es ist keine lineare Geschichte, und es gibt auch keine lineare Erzählung über maiz. Ich habe als Redakteurin 2019 bei migrazine angefangen, und seit ich in den letzten Jahren bei maiz kultur arbeite, merke ich: Es hat so eine starke Geschichte. Für mich ist klar, es ist mehr als eine Organisation, es war und ist ein politisches Projekt. maiz ist in den Menschen, weit über das Team hinaus, verankert geblieben. Heute kommen Menschen zu mir und sagen: „Das ist nicht mehr das maiz von früher, es ist anders“. Es hat sich tatsächlich etwas an Kapazität und Ressourcen verändert: Es ist nicht mehr so groß wie vor 15 Jahren, als es zwei bzw. drei Standorte gab, und über 40 Mitarbeiter:innen. Heute sind wir 10 Mitarbeiter:innen, und mehrere von uns arbeiten in mehr als einem Bereich.

Luzenir: Wir können mit 5 Leuten oder mit 500 Leuten reden, die maiz kennen und kennengelernt haben im Laufe der Zeit, es ist egal, jede Person wird eine etwas andere Geschichte erzählen, eine andere Perspektive einbringen. Alles davon stimmt, und niemand kann das Ganze wirklich erzählen. Das symbolische Konstrukt, von dem ich am Anfang gesprochen habe, ist ein kollektives Konstrukt. Es haben so viele beigetragen über die Zeit, haben ein Stück des Weges mitgemacht. Deswegen war es auch möglich, so viel zu erreichen. Wir sind stolz darauf, was geschafft wurde. Aber eine Unzufriedenheit war auch schon immer da. Das ist kein Phänomen von heute, dass man unzufrieden ist und sich denkt, maiz war schon einmal größer, kritischer… All das sind ja auch Idealisierungen. Mit Geschichte passiert das immer auch: Dass man im Nachhinein denkt, es war so gut (lacht). Aber ich kann dir sagen, es war immer anstrengend, widersprüchlich, und eine Unzufriedenheit war immer auch im Raum. Was irgendwie auch notwendig ist: Das gibt auch Gas und Motivation, weiterzumachen. Und ein größeres Team ist nicht unbedingt ein Synonym für „besser“, es kann die Dinge auch komplizierter machen. Wenn es mit 5 oder 10 Personen kompliziert ist, muss man sich vorstellen, wie es mit 40 ist (beide lachen). Es ermöglicht natürlich auch mehr. Aber ich denke, es ist für die junge Generation wichtig, das präsent zu haben: Dass es nie leicht war.

Lia: Ja, ich denke, es gibt diese Idealisierungen, dass man früher alles geschafft hat. Heutzutage gibt es in gewisser Weise den Wunsch, die gleichen qualitativen Ansprüche wie früher zu schaffen. Und ich denke, das sind die Herausforderungen, die wir auch merken müssen, dass die Voraussetzungen nicht gleich sind wie früher. Manche Tätigkeiten, zum Beispiel kollektive Gespräche und Austausch, die Zeit brauchen, können wir nicht im gleichen Maß machen. Die Bereiche sind gleich geblieben, aber wir sind heute ein sehr kleines Team. Und es ist immer die Frage, wie wir die Zeit finden, um der Utopie von kollektivem Austausch und kollektiven Entscheidungsprozessen näher zu kommen - innerhalb eines kapitalistischen Lebens in Städten mit einer bestimmten Zeiteinteilung und hierarchischen Strukturen.

Luzenir: Wir haben nie alles geschafft. Es gab immer zu wenig Zeit, wir hatten immer mit Mangel zu kämpfen. Wir mussten immer Prioritäten setzen, und konnten nie alles tun, was notwendig gewesen wäre.

Lia: Stimmt. Und dass maiz eben nicht nur ein Büro oder eine Beratungsstelle ist, sondern ein politisches Projekt, bringt auch mehr Erwartungen mit sich, was daraus entstehen wird. Neben der ständigen Arbeit ist auch die Sichtbarkeit, unsere Präsenz nach außen wichtig. Dies wurde besonders durch die Arbeit des Kulturbereichs, aber nicht nur, geschafft. Aber wenn es Personalmangel gibt, ist es immer schwierig zu reflektieren, was man weglässt. Zu sagen und anzuerkennen: "Das schaffen wir nicht.”

Aber wie war für euch die tägliche Arbeit, in der ihr kaum Raum hattet, um kleine Erfolge zu genießen? Zum Beispiel wenn ein Antrag angenommen wurde. Ich denke, es ist wichtig, solche Momente zu zelebrieren. Es ist nicht „Erfolg“ in einem neoliberalen Sinn, aber es ist Arbeitszeit, Austausch und Imagination, die wir investiert haben. Und es ist gut, das zu sehen und zu feiern.

Luzenir: Ja, beispielsweise haben wir in den ersten Jahren einen EU-Beschluss gefeiert, der einen Konflikt um Fördergeld entschieden hat und die Autonomie von maiz damals ermöglicht hat. Das war ein wichtiger Moment für maiz, das erste Geld das wir bekommen haben und eine Anerkennung unserer Arbeit. Wir haben das damals mit Popcorn und Bier gefeiert (lacht). Ich erinnere mich sehr an diese Freude, diese Erleichterung, dieses Gefühl, dass wir es schaffen können. Später kamen sehr viele Anträge, und es blieb leider immer weniger Zeit sie zu feiern.

Wir arbeiten bei maiz schon immer mit den prekarisiertesten Migrant:innen, und haben viel zu lernen von unseren Zielgruppen: Menschen, die sehr prekär arbeiten, und es trotzdem schaffen, sich Zeit zum Feiern und zum Zelebrieren zu nehmen. Weil das einfach wichtig ist, um zu überleben. Ich kenne so viele, die wirklich ganz schwierige Bedingungen haben - aber sie feiern. Sie sammeln Geld, kochen zusammen, organisieren Feiern, mit ganz einfachen Mitteln. Und ich denke das ist etwas, was wir immer wieder von ihnen lernen müssen. Es muss nicht alles ideal sein, wir müssen nicht alles haben, um zelebrieren zu können. So wie ihr als Redaktionsteam so schön geschrieben habt für diese Ausgabe: Feiern, um am Leben zu bleiben, feiern als Widerstand. Das finde ich sowas von wichtig. Wir versuchen, kritisch gegen das neoliberale System zu sein. Aber in der Praxis lassen wir uns oft davon regieren, wenn wir uns so vom Zeitdruck unter Druck setzen lassen, dass wir nicht mehr feiern können. Das ist ein Widerspruch für mich. Ich bin mir sicher, dass die technokratische Strategie der Fördersysteme, die immer mehr Bürokratie verlangt, um öffentliches Geld zu gewähren, darauf abzielt: Mehr Bürokratie bedeutet weniger Zeit mit der Zielgruppe, weniger Zeit für politische Arbeit, für Freude, für politische Erfolge. Und wenn wir uns Zeit nehmen, um zu feiern, hat es etwas Subversives an sich.

Lia: Ich stimme komplett zu. Es wird von uns, Menschen mit Diskriminierungs- oder Rassismuserfahrung, nicht erwartet, dass wir feiern und das Leben, trotz Schwierigkeiten, in der Öffentlichkeit genießen, besonders während dem neuen Zuwachs von rechtsextremen Parteien mit anti-migrantischen Agendas. 

Aber um nochmal zur "Müdigkeit” unserer Kollektive zurückzukommen, die in neoliberalen Strukturen erwünscht ist. Ich verstehe, was du meinst, dass wir aufpassen sollten, diese Erwartung nicht zu erfüllen: Erschöpft zu werden von der Bürokratie, und weniger politisch zu arbeiten. Ich denke, wir als Menschen in unterschiedlichen politischen Bewegungen haben immer das Risiko, von neoliberalem Kapitalismus verführt zu werden.

Als ich in den deutschsprachigen Raum kam, war es für mich eine große Überraschung, dass es einfach Geld für aktivistische Arbeit gibt und das manchmal auch von Leuten erwartet wird, bezahlt zu werden. Aktivismus soll natürlich als Arbeit anerkannt werden, aber ich frage mich, ob es auch eine Gefahr ist, dass wir das Monetarische weiter ins Zentrum der politischen Arbeit und Bewegungen holen. Wir profitieren ein Stück weit von einem System, das wir überwinden wollen. 

Insbesondere aus unserer Position als Migrant:innen, einer sehr heterogenen Gruppe, frage ich mich, inwieweit wir die Art und Weise unserer aktivistischen Praxis ändern, wenn wir in finanziell starken Ländern emigrieren oder aufwachsen und etwas Komfort gewinnen. Daher denke ich, wir sollten wirklich aufpassen und darüber ständig reflektieren. Wir wissen, dass dieses System eigentlich nicht will, dass wir uns selbst organisieren, oder dass wir unter uns in anderen "unproduktiven" Zeitrhythmen austauschen, und noch weniger, dass wir Frei- und Zelebrationszeit priorisieren.

Luzenir: Ich gebe dir recht, und möchte hinzufügen: maiz wäre nicht möglich gewesen ohne ehrenamtliche Arbeit, ohne politische Arbeit als unbezahlte Arbeit. Das bringt auch einen Konflikt, der immer Teil der Geschichte von maiz war: Das Spannungsfeld zwischen politischer Arbeit und „Betriebsarbeit“. Unterschiedliche Mitarbeiter:innen haben das auch unterschiedlich gewichtet. Das ist eine ständige Herausforderung. Und mit der kontinuierlichen Kürzung von Basisförderungen wird das noch verstärkt. Wir müssen wirklich viel widerständig feiern, um damit umzugehen (beide lachen).

 

Pat Costa

Lia: Vielleicht willst du erzählen von dem „Fest des Lachens“? maiz hat ja immer auch mit der Nutzung von Ironie und Humor gearbeitet. Das ist ja auch eine politische, widerständige Strategie. Ich denke das ist in Lateinamerika und der Karibik auch sehr stark, wie Humor und das Lachen immer da ist. Manchmal kann dadurch Trauer und Gewalt unsichtbar gemacht werden. Aber ich denke, es sind sehr kraftvolle Strategien für Menschen, die Kräfte sammeln müssen für ständige Schwierigkeiten. Für maiz war das auch immer wichtig. Manche Wahrheiten kann man nicht direkt sagen, sondern nur durch Humor und Ironie. Aussagen werden dadurch stärker und provokativer. Egal was die österreichische Gesellschaft in uns sieht: Wir können auch darüber lachen, nicht nur uns sorgen. Sich diesen Raum als Potential wirklich zu nehmen.

Luzenir: Die Verbindung von seriöser Arbeit mit Humor ist eine echte Kunst. Das betrifft auch den Raum des Narrativen, der Erzählungen über Migrant:innen. Eine der ersten Fragen für uns war: Können wir uns abfinden mit den Narrativen, die über uns gemacht werden? Wir waren sehr unzufrieden mit der Art, wie hier über uns gesprochen wurde. Von der Mehrheitsgesellschaft, aber auch von migrantischen Vereinen, die einen viktimisierenden Diskurs bedient haben. Damit konnten wir uns nicht identifizieren, wir wollten einen anderen Diskurs produzieren. Das war der Beginn des Kulturbereichs von maiz. Wir haben mit verschiedenen Formaten experimentiert, immer mit der Absicht, uns außerhalb des polarisierenden Diskurs selbst zu vertreten. Jenseits von einem Opfer- und Täterdiskurs. Gerade bei Themen wie Sexarbeit war das noch notwendiger. Und ich denke, dass maiz hierzulande einiges beigetragen hat zu einer Veränderung von diesem Diskurs. Es musste immer mit viel Imagination und Kunststrategien gearbeitet werden - so wie das Fest des Lachens, das du angesprochen hast. Es wurde viel mit Ironie gearbeitet, rassifizierte Künstler:innen wurden eingeladen, die sich sehr provokant performativ dargestellt haben. Es war sehr wichtig, Irritation herzustellen und Raum für Diskussionen zu schaffen.

Der Kontext verändert sich mit der Zeit, und damit auch die Frage: Was wäre jetzt die Intervention, die destabilisieren kann? In diesem Land wird so viel Wert auf Stabilität und Sicherheit gelegt. Und ich finde, dass es ein wichtiger Beitrag ist, Instabilität in diese Stabilität zu bringen. Dass Menschen merken, es gibt auch noch andere Blickwinkel, es gibt andere Horizonte. Den Blick zu erweitern. Und dafür braucht es immer ein Auge auf die Vergangenheit, aber auch ein Auge ganz nach vorne.

Lia: Ich würde nochmal zurück zu der Frage kommen von Feiern als Widerstand, aber auch Lust und Freude. 

Für diese Ausgabe hatte ich eine wichtigen Austausch mit einer libanesischen Herbalist und Aktivistin in den USA, die wir für die Ausgabe einladen wollten. Sie hat am Ende ihre Teilnahme abgesagt, weil sie mit Menschen sympathisiert, die jetzt in Gaza sind. Daher zögerte sie, eine öffentliche Debatte zu beginnen, in der die Freude im Mittelpunkt steht, da dies in einem Moment der tiefen Trauer als unsensibel angesehen werden könnte.

Wir haben uns trotzdem viel ausgetauscht, denn ich wollte mehr über ihre Perspektive erfahren. Die Autorin war richtigeweise besorgt über die Gefahr des "Pleasure Activism" Diskurses, der das Engagement der Menschen für einen Befreiungskampf schwächt, da ein solcher Kampf notwendigerweise bedeutet, dass Menschen im Westen bestimmte Verluste bringen und Unbequemlichkeiten in Kauf nehmen müssen, damit das Imperium fallen kann. Sie war kritisch, ob "Existenz ist Widerstand" auf diejenigen anwendbar ist, die bequem im Westen leben und von diesen Imperien profitieren, die Orte wie Palästina zerstören. Auch wenn ich nicht der Meinung bin, dass alle, die im Westen leben, automatisch mehr Privilegien haben, insbesondere in ungleichen Kontexten wie den USA, kann ich verstehen, wovon sie spricht, denn es geht hier um die Tatsache, dass wir in Norden nicht unter ständiger Lebensgefahr sind (auch wenn beispielsweise Schwarze Menschen in den USA tatsächlich einem gewissen Lebensrisiko unterworfen sind).

Dieses Gespräch war für mich vielleicht das Wichtigste während der Arbeit an dieser Ausgabe. Ich wünschte, wir hätten es veröffentlichen können. Als Migrantin, die von bestimmten Vorteilen im Norden profitiert hat, fühle ich mich in einer ambivalenten Lage. Ich frage mich immer wieder: Was ist meine politische Verantwortung als Migrantin, die es "geschafft" hat?. Nicht im Sinne von Schuld oder Scham, dass ich nicht feiern kann. Die Zeit für Freude und Feiern ist wichtig! Aber ich glaube, wir sollten die Möglichkeit, Ruhe und Freizeit zu genießen, als Antrieb für unseren Aktivismus und Kampf nehmen, damit mehr Menschen in den Genuss dieser Vorteile kommen, sei es in ihren Herkunftsländern oder in den Ländern, in die sie auf der Suche nach einer besseren Lebensqualität emigriert sind. Allgemein, was ist unsere Position, wenn wir über Freizeit und Spass reden, in Kontexten, wo wir bestimmte Sicherheiten haben? 

Luzenir: Ich habe auch keine Antwort auf diese Fragen, aber ich denke, aus meiner Erfahrung: Feiern muss auch nicht immer ein Synonym für Freude sein. Es kann eine Stärkung der kollektiven Verantwortung in Trauer, Empörung und trotz Dystopien sein. Oder eine Stärkung des kritischen Bewusstseins über unsere Privilegien und über unsere Handlungsmöglichkeiten. Alles, was uns hilft weiter zu widerstehen, zu leben und zu kämpfen, ist zelebrierbar.

Luzenir Caixetaist Mitbegründerin von maiz - Autonomes Zentrum von & für Migrantinnen in Linz, wo sie für die Koordination der Beratungsstelle, Sex & Work und für den Forschungsbereich zuständig und als Beraterin tätig ist.
Lia Kastiyo-SpinósaLia Kastiyo-Spinósa is an editor, writer and artist. Caribbean. Migrant since a young age, firstly to the South of the Abya Yala continent where she encountered the reality of being an "other." In 2016, she graduated in Publishing from the University of Buenos Aires. Lia has been living in Vienna since 2018 and completing her studies at the Academy of Fine Arts. Since 2011, member of the editorial team of migrazine- Online Magazine by Migrant Women to Everyone. Since 2019, cultural worker for verein maiz- autonomous center for and by migrant womxn. As independent editor she has worked for Hypatia, GLEFAS, PLAN International, delhospital ediciones, kültüř gemma!, University of Vienna Student Union, among others.