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Una lucha de fronteras / Ein Kampf der Grenzen

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von Gloria E. Anzaldúa
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© Imayna Caceres, 2019. "The Embrace of the Amaru“. Coverbild für Gloria E. Anzaldúa „Borderlands/La Frontera. Die Neue Mestiza“.
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Der folgende Text ist ein Auszug aus dem Buch Borderlands / La Frontera. Die neue Mestiza von Gloria E. Anzaldúa übersetzt vom Chaka Übersetzungskollektiv 1. Im Herbst 2022 erscheint dieses einflussreiche Werk der selbsternannten »Chicana, tejana, aus der Arbeiterklasse, dyke-feministische Dichterin, Autorin-Theoretikerin« von 1987 erstmals in deutscher Übersetzung beim Verlag Archive Books. 

In ihrer Einleitung zur deutschsprachigen Ausgabe schreibt die Soziologin Encarnación Gutiérrez Rodríguez „Anzaldúa inspirierte mich über Sprache, Identität und Zugehörigkeit nachzudenken. [...] Sie entwarf eine kosmologische planetarische Relationalität, auf deren Grundlage Parameter der europäischen Moderne wie z.B. Linearität oder Abgeschlossenheit nach ihrer universellen Signifikanz und globalen Relevanz befragt wurden.“ Anzaldúas revolutionäres Denken ist im Leben in den Borderlands begründet, in einem Mestiza-Bewusstsein wie es aus den kolonialen Verwobenheiten und spirituellen Verortungen des Lebens an der USA-Mexiko-Grenze hervorgeht. Diese Grenze ist dabei auch der Ort „der 500jährigen anti-kolonialen Re-xistencia. Gloria Anzaldúa knüpft an diese Widerstandsgeschichte an, indem sie die Spuren weiblicher Verweigerung in der antiken Nahuat Vergangenheit aufspürt und sie ins Gespräch mit den gegenwärtigen queeren Bewegungen von People of Colour zusammenbringt. Dabei verbindet sie Spiritualität mit historischem Wissen und Fühlen, und aktuellen anti-kolonialen, anti-rassistischen, queeren und feministischen Kämpfen. […] Das Bewusstsein der Mestizin erwächst aus der Konfrontation und dem Umgang mit der Grausamkeit und Bestialität gesellschaftlicher Verhältnisse. Doch zugleich schöpft es aus dem Begehren der Transformation, der Setzung eines eigensinnigen Lebens. [...] Sie spricht von materieller Ausbeutung, gewaltvoller körperlicher Unterdrückung und epistemischer Gewalt. Sie beschreibt tiefgreifende Momente sozialer und materieller Ungerechtigkeit, die historisch verwurzelt und in einer neuen Konjunktur von Grenzregime- und Migrationskontrollpolitiken sowie der damit einhergehenden kapitalistischen Wertschöpfung aktualisiert werden.“ Dabei kreiert die Grenztheoretikerin und dekoloniale Denkerin eine Epistemologie des Widerstands, die seit 35 Jahren prägend ist für Schwarze, migrantische und Women of Colour Feminismen, für die Chicanx-Bewegungen2 sowie für queere Bündnisse und Theorien. 

Una lucha de fronteras / Ein Kampf der Grenzen

Weil ich, eine mestiza,

mich ständig aus einer Kultur heraus

in eine andere bewege,

weil ich in allen Kulturen zugleich bin,

alma entre dos mundos, tres, cuatro,

me zumba la cabeza con lo contradictorio.

Estoy norteada por todas las voces que me hablan

simultáneamente.

Die Ambivalenz, die beim Zusammenprall der Stimmen entsteht, hat mentale und emotionale Verwirrungszustände zur Folge. Die innere Auseinandersetzung führt zu Unsicherheit und Unentschlossenheit. Die duale oder multiple Persönlichkeit der mestiza wird von psychischer Rastlosigkeit geplagt.

In einem andauernden Zustand des mentalen Nepantilismus, einem aztekischen Wort, das „zwischen den Arten und Weisen hin- und hergerissen“ bedeutet, ist la mestiza ein Produkt des Transfers kultureller und spiritueller Werte von einer Gruppe zur anderen. Als trikulturelle, monolinguale, bilinguale oder multilinguale mestiza, die ein Patois spricht und sich in einem Zustand ständiger Transition befindet, steht die mestiza vor dem Dilemma der mixed breed: Auf welche Kollektivität hört die Tochter einer darkskinned Mutter?

El choque de un alma atrapado entre el mundo del espíritu y el mundo de la técnica a veces la deja entullada. Der Wiege einer Kultur entstiegen und eingeklemmt zwischen zwei weiteren, grätscht la mestiza über alle drei Kulturen und ihre Wertesysteme. Dabei durchlebt sie einen Kampf am eigenen Leib, einen Kampf der Grenzen, einen inneren Krieg. Wie alle Menschen nehmen wir die Version der Realität wahr, die unsere Kultur uns vermittelt. Wie andere auch, die mehr als eine Kultur in sich tragen oder in mehr als einer Kultur leben, erhalten wir mehrere, oftmals einander widersprechende Botschaften. Das Aufeinandertreffen von zwei in sich stimmigen, aber üblicherweise inkompatiblen Bezugsrahmen3 löst un choque aus, einen kulturellen Zusammenstoß.

In uns und innerhalb der cultura chicana greifen weitverbreitete Überzeugungen der weißen Kultur weitverbreitete Überzeugungen der mexikanischen Kultur an, und diese beiden wiederum greifen weitverbreitete Überzeugungen der indigenen Kultur an. Unterbewusst nehmen wir den Angriff auf uns und unsere Überzeugungen als Bedrohung wahr und versuchen ihn mit einer Gegenposition abzuwehren.

Aber es reicht nicht aus, vom anderen Ufer des Flusses Fragen hinüberzurufen und die patriarchalen, weißen Konventionen herauszufordern. Indem wir die Gegenposition einnehmen, sind wir in einem Duell zwischen unterdrückender und unterdrückter Seite gefangen: in einem Kampf um Leben und Tod, wie Polizei und Kriminelle; beide werden auf einen gemeinsamen Nenner der Gewalt reduziert. Die Gegenposition ficht die Sichtweisen und Überzeugungen der dominanten Kultur an und ist dabei stolz auf ihr aufsässiges Verhalten. Jede Reaktion ist darauf beschränkt und abhängig davon, wogegen sie sich stellt. Weil sich die Gegenposition aus einem Problem mit der – sowohl äußeren als auch inneren – Autorität ergibt, ist sie ein Schritt in die Richtung zur Befreiung von kultureller Vorherrschaft. Aber sie ist keine Lebensweise. Irgendwann auf unserem Weg zu einem neuen Bewusstsein müssen wir das gegenüberliegende Ufer verlassen, der Bruch zwischen den beiden um Leben und Tod Kämpfenden muss irgendwie geheilt werden, sodass wir gleichzeitig an beiden Ufern sind und durch die Augen der Schlange und des Adlers zugleich sehen. Vielleicht beschließen wir aber auch, uns von der dominanten Kultur loszusagen, sie als aussichtslose Sache ganz abzuschreiben und die Grenze zu einem völlig neuen und separaten Gebiet zu überqueren. Oder wir schlagen einen anderen Weg ein. Die Möglichkeiten sind zahlreich, sobald wir den Entschluss fassen, zu agieren, anstatt zu reagieren.

Eine Toleranz für Ambiguität

Diese zahlreichen Möglichkeiten lassen la mestiza in unbekannten Gewässern ins Strudeln geraten. Durch die Wahrnehmung widersprüchlicher Informationen und Sichtweisen werden ihre psychologischen Grenzen überflutet. Es ist ihr bewusst geworden, dass sie Gedanken oder Ideen nicht im Zaum halten kann. Die Grenzen und Mauern, die unerwünschte Ideen fernhalten sollen, bestehen aus tief verwurzelten Gewohnheiten und Verhaltensmustern: Diese Gewohnheiten und Muster sind der innere Feind. Starrheit bedeutet Tod. Nur indem sie flexibel bleibt, kann sie ihre Psyche horizontal und vertikal ausdehnen. La mestiza muss sich ständig aus gewohnten Formationen herausmanövrieren: vom konvergenten Denken – einer analytischen Art zu denken, die dazu tendiert, sich mithilfe der Rationalität auf einen einzigen Zielpunkt hin zu bewegen (ein westlicher Modus) – zum divergenten Denken,4 das sich durch eine Bewegung weg von festgelegten Mustern und Zielen hin zu einer ganzheitlicheren Perspektive auszeichnet, eine Perspektive, die eher einschließt als ausschließt.

Die neue mestiza kommt zurecht, indem sie eine Toleranz für Widersprüche, eine Toleranz für Ambiguität entwickelt. Sie lernt, in der mexikanischen Kultur eine Indian und aus einer Anglo-Perspektive eine Mexikanerin zu sein. Sie lernt, verschiedene Kulturen zu jonglieren. Sie hat eine plurale Persönlichkeit, sie handelt pluralistisch: Nichts wird ausgestoßen, nicht das Gute, nicht das Schlechte und nicht das Hässliche, nichts wird verworfen, nichts aufgegeben. Sie hält Widersprüche nicht nur aus, sie verwandelt die Ambivalenz in etwas anderes.

Sie kann durch ein intensives und oftmals schmerzhaftes emotionales Ereignis aus der Ambivalenz herausgerissen werden, ein Ereignis, das die Ambivalenz verkehrt oder auflöst. Ich bin mir nicht sicher, wie das genau vor sich geht. Die Arbeit findet im Untergrund, im Unterbewusstsein statt. Es ist Arbeit, die die Seele leistet. An dem Dreh- und Angelpunkt, der Verbindungsstelle, an der die mestiza steht, prallen die Phänomene tendenziell aufeinander. Es ist der Ort, an dem die Möglichkeit besteht, alles Getrennte zu vereinen. Hier kommen Teile nicht einfach nur zusammen, die auseinandergerissen oder voneinander getrennt wurden. Ebenso werden hier gegensätzliche Mächte nicht einfach ausbalanciert. In dem Versuch, eine Synthese herauszuarbeiten, hat das Selbst ein drittes Element hinzugefügt, das größer ist als die Summe seiner getrennten Teile. Dieses dritte Element ist ein neues Bewusstsein – ein mestiza-Bewusstsein – und obwohl es die Quelle eines intensiven Schmerzes ist, bezieht es seine Energie aus einer konstanten kreativen Bewegung, die unaufhörlich den vereinheitlichenden Aspekt eines jeden neuen Paradigmas aufbricht.

En unas pocas centurias wird die Zukunft der mestiza gehören. Denn die Zukunft ist darauf angewiesen, dass die Paradigmen aufgebrochen, dass zwei oder mehr Kulturen überbrückt werden. Dadurch, dass sie ein neuer Mythos kreiert – das heißt eine Veränderung in der Art, wie wir die Realität wahrnehmen, wie wir uns selbst sehen, und in der Art, wie wir uns verhalten – schafft la mestiza ein neues Bewusstsein. 

Die Arbeit des mestiza-Bewusstseins besteht darin, die Subjekt-Objekt-Dualität, die sie gefangen hält, aufzubrechen, und am eigenen → Leib sowie durch die Bilder ihrer Arbeit zu zeigen, wie Dualität transzendiert wird. Die Antwort auf das Problem zwischen der weißen race und der colored [race], zwischen dem Männlichen und dem Weiblichen, liegt in der Heilung des Bruchs, die aus dem Fundament unserer Leben, unserer Kultur, unserer Sprachen, unserer Gedanken hervorgeht. Eine massive Entwurzelung des dualistischen Denkens im individuellen und kollektiven Bewusstsein ist der Beginn eines langen Kampfes, der uns jedoch – und das ist unsere größte Hoffnung – das Ende von Vergewaltigung, Gewalt und Krieg bringen könnte.

La encrucijada / Die Kreuzung

Ein Huhn wird geopfert

an einer Kreuzung, auf einem einfacher Erdhaufen

einem Schlammschrein für Eshu,

          Yoruba, Gott der Unbestimmtheit,

der ihre Wahl des Pfades segnet.

         Sie tritt ihre Reise an.

Su cuerpo es una bocacalle. La mestiza wurde von der Opferziege zur praktizierenden Priesterin an der Kreuzung.

Als mestiza habe ich kein Land, meine Heimat hat mich verstoßen. Doch alle Länder sind mein, denn ich bin jeder Frau eine Schwester oder potenzielle Liebhaberin. (Als Lesbe habe ich keine race, meine eigenen Leute leugnen mich, gleichzeitig bin ich alle races, denn meine Queerness findet sich in allen races.) Ich bin kulturlos, denn als Feministin fordere ich die kollektiven kulturellen/religiösen, im Männlichen verwurzelten Überzeugungen der Indo-Hispanics und der Anglos heraus; aber ich bin kultiviert, denn ich nehme an der Schaffung einer weiteren Kultur teil, einer neuen Geschichte, um die Welt und unsere Teilhabe an ihr zu erklären, eines neuen Wertesystems mit Bildern und Symbolen, die uns untereinander und mit dem Planeten verbinden. Soy un amasamiento, ich bin ein Akt des Knetens, des Vereinens und Verbindens, aus dem nicht nur ein Wesen der Dunkelheit und ein Wesen des Lichts entstehen, sondern auch ein Wesen, das die Definitionen von Licht und Dunkelheit infrage stellt und ihnen eine neue Bedeutung verleiht.

Wir sind die Menschen, die ins Ungewisse springen, wir sind die Menschen im Schoß der Gottheiten. In unserem eigenen → Leib trägt die (R)Evolution den Kampf der Kulturen aus. Das treibt uns ständig in den Wahnsinn, aber wenn das Zentrum standhält, haben wir eine Art evolutionären Schritt nach vorne gemacht. Nuestra alma el trabajo, das Opus, die große alchemistische Arbeit: spirituelles mestizaje, eine „Morphogenese“,5 eine unvermeidliche Entfaltung. Wir sind zur immer schneller werdenden Schlangenbewegung geworden.

Indigen wie Mais, wie der Mais ist die mestiza das Produkt einer Kreuzung, geschaffen, um unter vielfältigen Bedingungen zu bestehen. Wie ein Maiskolben – ein weibliches samentragendes Organ – ist die mestiza zäh, in die Hüllblätter ihrer Kultur eingewickelt. Wie die Körner klammert sie sich an den Kolben. Mit dicken Stängeln und starken Stützwurzeln gräbt sie sich tief in die Erde – sie wird die Wegkreuzungen überleben.

Lavando y remojando el maíz en agua de cal, despojando el pellejo. Moliendo, mixteando, amasando, haciendo tortillas de masa.6 Sie taucht den Mais in Kalk ein, er quillt auf und wird weich. Mit einer Steinwalze mahlt sie den Mais auf einem →  metate, zermahlt ihn immer weiter. Sie knetet und formt den Teig, klopft die runden Bällchen zu tortillas.

Wir sind das poröse Gestein des metate,

auf dem Boden hockend.

Wir sind das Nudelholz, el maíz y agua,

la masa harina. Somos el amasijo.

Somos lo molido en el metate.

Wir sind das knisternd heiße comal,

die heiße tortilla, der hungrige Mund.

Wir sind das raue Gestein.

Wir sind die mahlende Bewegung,

der gemischte Trank, somos el molcajete.

Wir sind der Stößel, comino, ajo, pimienta,

Wir sind das chile colorado,

der grüne Trieb, der den Stein sprengt.

Wir werden fortbestehen.

El camino de la mestiza / Der Weg der mestiza

Gefangen zwischen der plötzlichen Kontraktion, dem angehaltenen Atem und dem endlosen Raum steht die brown woman regungslos da und schaut in den Himmel. Sie beschließt hinunterzugehen und gräbt sich entlang der Baumwurzeln ihren Weg. Sie sichtet die Knochen und schüttelt sie, um zu sehen, ob sie noch mit Mark gefüllt sind. Dann, während sie mit der Erde ihre Stirn, ihre Zunge berührt, nimmt sie einige Knochen an sich und lässt die übrigen in ihrer Grabstätte liegen.

Sie durchsucht ihren Rucksack, behält ihr Tagebuch und ihr Adressbuch, wirft die muni-Bart-Pläne weg. Die Münzen sind schwer und als Nächstes dran, dann flattern die Dollarscheine durch die Luft. Sie behält ihr Messer, ihren Dosenöffner und ihren Augenbrauenstift. Sie legt Knochen, Rindenstücke, hierbas, Adlerfeder, Schlangenhaut, Kassettenrekorder, Rassel und Trommel in ihren Rucksack und zieht los, um vollständig zur → tolteca zu werden.

Ihr erster Schritt besteht darin, eine Bestandsaufnahme zu machen. Despojando, desgranando, quitando paja. Was genau haben ihr ihre Ahnen eigentlich hinterlassen? Diese Last auf ihrem Rücken: Was davon ist von ihrer Indian Mutter, was davon vom spanischen Vater, was davon ist von den Anglos?

Pero es difícil zwischen lo heredado, lo adquirido, lo impuesto zu unterscheiden. Sie lässt die Geschichte durch ein Sieb rieseln, sortiert die Lügen aus, sieht sich die Kräfte an, an denen wir als race, als Frauen, teilhaben. Luego bota lo que no vale, los desmientos, los desencuentros, el embrutecimiento. Aguarda el juicio, hondo y enraizado, de la gente antigua. Dieser Schritt ist ein bewusster Bruch mit sämtlichen repressiven Traditionen aller Kulturen und Religionen. Sie kommuniziert diesen Bruch, dokumentiert den Kampf. Sie deutet die Geschichte um, und indem sie neue Symbole verwendet, formt sie neue Mythen. Sie nimmt neue Perspektiven gegenüber den darkskinned, den Frauen und Queers ein. Sie stärkt ihre Toleranz (und Intoleranz) gegenüber der Ambiguität. Sie ist willens zu teilen, sich unbekannten Sicht- und Denkweisen gegenüber verletzlich zu machen. Sie gibt alle Vorstellungen von Sicherheit, von Vertrautem auf. Dekonstruieren, konstruieren. Sie wird zu einem nahual, kann sich selbst in einen Baum, einen Kojoten, in eine andere Person verwandeln. Sie lernt, das kleine „Ich“ in ein vollständiges Selbst zu transformieren. Se hace moldeadora de su alma. Según la concepción que tiene de sí misma, así será.

Das Buch Borderlands / La Frontera. Die neue Mestiza ist ab Herbst 2022 online über www.archivebooks.org und im Buchhandel zu erwerben.

Fußnoten

1 Das Chaka Kollektiv besteht aus Claudia Frikh- Khar, Nina Höchtl und Verena Melgarejo Weinandt.

2 Leitet sich etymologisch vom Wort mexica ab. Das „x“ in mexica wird wie ein „sch“ ausgesprochen. Aus diesem Wort entwickelten sich die Bezeichnung mexicano/a und chicano/a, dabei wurden bei der letzteren das „m“ und „e“ weggelassen und das „sch“ von mexica wurde zu einem „tsch“. Chicano/a bezeichnete noch zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts mexikanische Menschen niederer Klasse und war ein pejorativer Begriff, der sich auf nicht qualifizierte Arbeitskräfte bezog, die mexikanischen Hintergrund hatten und/oder aus Mexiko in die USA emigriert waren. Eine aufwertende Veränderung im Sinne eines politischen und solidarischen Terminus erfolgte in den 1960ern. Im Movimiento chicano wurde der Begriff als Zeichen der Selbstbestimmung und des kulturellen Stolzes aufgegriffen. Der Begriff Chicano/a umfasst außerdem soziale, physische, psychologische und spirituelle Bedeutungen. Wenn es mit -x geschrieben wird, xicano/a, führt es auf den Ursprung des Wortes mexica zurück und dabei bezieht es sich auch bewusst auf die indigenen Wurzeln der chicana-Identitäten. Ab den 1960er Jahren bekannten sich die chicano/as auch dazu mestizo/as zu sein.

3 Arthur Koestler nannte das „Bisoziation“. Albert Rothenberg, The Creative Process in Art, Science, and Other Fields (Chicago, IL: University of Chicago Press, 1979), 12.

4 Ich leite meine Definitionen für „konvergentes“ und „divergentes“ Denken zum Teil von Rothenberg ab. Rothenberg, 12-13.

5 Das ist eine Anleihe aus der Theorie der „dissipativen Strukturen“ des Chemikers Ilya Prigogine. Prigogine entdeckte, dass Substanzen nicht in vorhersagbarer Weise interagieren, wie zuvor in den Wissenschaften gelehrt worden war, sondern auf verschiedene und fluktuierende Weisen, um neue und komplexere Strukturen zu bilden, eine Art der Geburt, die er „Morphogenese“ nannte und die unvorhersehbare Innovationen nach sich zog. Harold Gilliam, "Searching for a New World View" aus This World (Januar, 1981), 23.

6 Tortillas de masa harina: Es gibt zweierlei Arten von Maistortillas, die glatten gleichförmigen, die in einer Tortillapresse hergestellt werden und in der Tortillafabrik oder in einem Supermarkt gekauft werden, und gorditas, für die die masa mit Schweinefett, Bratfett oder Butter gemischt wird (meine Mutter fügt manchmal Speckstücke oder chicharrones hinzu).

Gloria E. Anzaldúa(1942 – 2004) war selbsternannte »Chicana, tejana, aus der Arbeiterklasse, dyke-feministische Dichterin, Autorin-Theoretikerin«. Ihr Schaffen inspiriert Künstler*innen, Autor*innen, Theoretiker*innen und Aktivist*innen verschiedener Generationen. Ihr Werk ist eine der wichtigsten Grundlagen und Referenzen für die Entwicklung dekolonialer Feminismen und intersektionaler Queer Theory und deren Schnittfelder. Gloria Anzaldúa ist eine der wichtigsten Vertreter*innen der Chicana-Bewegung in den USA, ihre Texte haben die Chicana Literature mitbegründet.