crossover

Antikoloniale Widerstände 12. Oktober 2020

share on facebookprint/drucken
von Kollektiv antikolonialer Interventionen in Wien
Image
©Marisel Bongola
Image
©Marisel Bongola
Image
©Marisel Bongola
Image
©Marisel Bongola
Image
©Marisel Bongola
Image
©Marisel Bongola
+

Am 12. Oktober 2020 organisierte das Kollektiv Antikolonialer Interventionen in Wien ein Treffen zum Tag des indigenen Widerstands am Columbusplatz. Unter dem Namen Antikoloniale Resistencias wurde die Intervention zusammen mit Trenza, Nodos, KOKOS-Komitee Kolumbien Solidarität, Estudio Elgozo, Mundo Redondo, ReveLA Lateinamerika, Colombia puede - Austria, Ni Una Menos Österreich, Maracatu Caxinguelê, Moenani, La Tribu uvm. durchgeführt. Hier erzählen wir unsere kollektive Erfahrung aus unseren persönlichen Blickwinkeln. 

Unsere Aktionen waren partizipativ und für die Öffentlichkeit zugänglich. Es wurde ein großes Mandala gestaltet, als Ort der Besinnung und um die Kämpfe, die uns begleiten, auf diesem Platz zu bringen. Imayna stellte mit Juan Martin und Jose Luis Opfergaben auf Stoffen auf. Darin legten wir unseren Dank, unsere Wünsche und unser Wissen mit Elementen der Erde für die Erde bei: getrocknete Körner, Früchte, Muscheln, Steine, Wolle, Kerzen, Wasser aus Florida, Weihrauch aus verschiedenen Traditionen wie Kopal und Palo Santo. Von Daniela und Marcela wurden Nachrichten mit Kreide auf dem Boden geschrieben, die zur Teilnahme an der Suche nach einem kollektiven Namen für diesen Ort einluden. Aktivist*innen des globalen Südens, mit ihren Kämpfen für die Verteidigung von Gemeinschaften und für das Leben, begleiteten uns durch Plakate.

Die Sammlung neuer Namen für den Platz war von zentraler Bedeutung, um in den Raum einzugreifen und Praktiken von unten zu generieren. Diese sollten es uns ermöglichen, diesen Ort umzubenennen und umzudeuten. Die Opfergabe, das Mandala und die Umbenennung des Ortes, um die sich die Performances dieser Veranstaltung drehten, gestalteten den physischen und politischen Raum. Zusammen mit der Musik, dienten diese Elemente als eine Vorbereitung des Platzes und unserer eigenen Ausstellung für diesen Tag. 

Marcela Torres: Wir treffen uns heute hier, um zu sehen, was uns vorausgeht, die Elemente die uns beeinflussen und ermöglichen, was Neues zu erschaffen. An diesem Tag erinnern wir uns kritisch an Erzählungen und verstärken uns in der Absicht, unsere eigenen Erzählarten zu entwickeln, und all das zu erzählen, was man bisher nicht erzählen wollte. Wir treffen uns als Gemeinschaft, als vielfältige, kreative MigrantInnengemeinschaft. Schön, an diesem Tag so viele schöne Gesichter zu sehen! 

Imayna Caceres: Eine Begegnung mit vielen Möglichkeiten, diesem Tag eine neue Bedeutung zu geben, zusammen zu sein und alle Emotionen hervorzurufen, die aufkommen, wenn wir über unser Anliegen für ein gutes Leben sprechen. An dem wir unseren Gefühlen, die mit dem Protest verbunden sind, verstärken, um sowohl Freude wie auch eine Regeneration zu bewirken. Durch gemeinsames, Singen, Tanzen in körperlicher Anwesenheit mittels Rituale und Opfergaben an die Pacha (Erde). Revitalisiert und dankbar, den 12. Oktober in Wien mit wunderbaren Menschen zu organisieren. 

Susana Ojeda: Wir haben dieses Mandala mit Kreide gestaltet und die Namen der indigenen Völker und Nationen geschrieben, die in unseren Territorien weiterhin Widerstand leisten. Wir würdigen die Menschen, die weiterhin für das Leben kämpfen, und feiern es mit Musik. Ich arbeite seit einiger Zeit mit dieser Methode. In diesem Rahmen war das erste Mandala, das am Maria-Theresien-Platz vor der Columbus-Statue im Naturkundemuseum, am 12. Oktober 2019 hergestellt.

Yeni Ccorahua singt „Man kann den Wind nicht kaufen, man kann die Sonne nicht kaufen, man kann den Regen nicht kaufen, man kann die Hitze nicht kaufen" 

Daniela Paredes: Wir begrüßen die 7 Richtungen: Ost, West, Nord, Süden, Himmel, Erde / Allpamama und unsere Herzen. Wir zünden ein Feuer an, um uns mit Aroma und Wind zu bedecken. Das Wasser streichelt uns mit einem leichten Nieselregen und wir werden von den Früchten, Blumen und Samen genährt, die von so vielen Hände kultiviert wurden. Wir kommen zusammen, um uns zu erinnern, um umzuschreiben, zu heilen und zu teilen. 

Der Boden des Platzes ist mit farbiger Kreide gefüllt, mit den Stimmen von Menschen, die neue Namen vorschlagen: Plaza Abya Yala, Plaza EZLN, Platz der Ahnenvölker, Plaza Moria, Plaza Kichwa, Plaza Mapuche, Plaza Bertha Cáceres, Plaza Misak und mehr. 

Vivi Zurita singt: „Ich bin wütend, weil die Wissenschaft nie was wert war, die Geduld verloren geht. Sag mir, sag mir, wer zuerst geschossen hat. Ich bin wütend, weil meine Haut schmerzt, vom nicht rausgehen können, vom nicht ausspucken können, was mich schmerzt.“

Zoraida Nieto: Ich fühlte einen tiefen Schmerz, als ich an so viele GefährtInnen dachte, die in diesem Widerstandskampf um Territorien gefallen sind, bei der Verteidigung des Ökosystems, im Kampf um das Leben ... Trotzdem feiern wir unser Recht auf Leben, weil eine andere Welt möglich ist. Das Entscheidende und Symbolische der Veranstaltung war ermutigend! Arriba pues! 

El Indio singt „was heute in vielen Teilen der Welt gefeiert wird, am 12. Oktober die ‚Entdeckung Amerikas‘...“

Ruth Sierra: Wir versammeln uns, um die "Entdeckung" zu dekonstruieren und aufzudecken. Um den Widerstand der Ahnenvölker Abya Yalas’, unsere Vielfalt, Musik und Rituale zu feiern. Um der Präsenz kolonialer Denkmäler im öffentlichen Raum Wiens zu überdenken und in Frage zu stellen. Es war magisch, wunderbar, kreativ und schamanisch.

Yeni Ccorahua: Es lebe der Kampf!

An diesen Tag gab es mehrere Veranstaltungen und wir hofften, dass sich unsere lateinamerikanischen KameradInnen weiterhin organisieren, wo immer sie sind. Einige von uns, die mobilisiert haben, führen seit unserer Geburt ein politisch aktives Leben, da selbst die Geburt, weit weg vom Land unserer Mütter, politische Ursachen hat. Viele von uns werden aufgrund unserer Migrationsprozesse politisiert. Einige von uns kommen aus lateinamerikanischen Kollektiven, die seit einiger Zeit Interventionen durchführen, wie beispielsweise Trenza am Kolumbusdenkmal in Wien im Jahr 2017. Wir sind in Gruppen organisiert, die darauf achten, was in unseren Ländern passiert. Wir arbeiten intensiv daran, Aufmerksamkeit auf die Geschehnisse in unseren Ursprungsländern Abya Yalas' - Lateinamerika zu lenken, wie die Ermordung von AktivistInnen (FührerInnen), die Ausbeutung durch Okkupationswirtschaft mittels extraktivistischer Unternehmen, die Proteste von indigenen, afro-, bäuerlichen, feministischen und antikolonialen Bewegungen. 2019 führten die Brände im Amazonasgebiet zur Organisation einer Gemeinschaftsdemo, bei der wir einige OrganisatorInnen kennenlernten und seitdem gemeinsam weiter mobilisieren. Vom ‚Marcha por el Planeta’, dem Klimastreik 2020, kam der von Imayna geschriebene Slogan "Kinship Cosmopolitics with the Pacha", den William mittels Siebdruck auf roten Schals anbrachte und uns am 12. Oktober schenkte.

Marisel Orellana: In meiner Arbeit als Fotografin habe ich verschiedene Events der lateinamerikanischen Gemeinschaft in Österreich dokumentiert. Die diesjährige Gedenkveranstaltung für den Widerstand der UreinwohnerInnen hat einen besonderen Eindruck auf mich hinterlassen, wahrscheinlich im Zusammenhang mit den sehr aufregenden Ereignissen in Abya Yala im letzten Jahr. Menschen mit ähnlichen Hintergründen und Geschichten haben es geschafft, diesen Raum (Kolumbusplatz) zu einem sicheren Ort für alle zu machen. Es war eine Versammlungszeremonie, die mir eine heilende Wirkung verlieh. 

Caro Quirán: Die Sonne, die wir in uns tragen, war mit allem verbunden, das auf dem Weg heilig ist. Die Vorfahren sprachen zu uns durch die Erde, die wir während der Opfergabe berührten.

Dafne Moreno: Wir erwecken die Gottheiten, die die Erde bewachen. Wir haben mit Fäden Verbindungen gewebt, während wir um das Opfer herum getanzt haben / Zum Gedenken an unsere Völker / Bis zur Ermüdung malen wir mit Magie und färben das kalte Quadrat, das wir umbenennen werden / Mit unseren in Handarbeit erzeugten Teufelsmasken haben wir den Patriarchen und den Kolonisator in eine Schachtel gepackt und diese mit einem Räuchergefäß gekrönt / Damit der Kopalrauch unsere Gebete wegträgt / Unser starkes Ungestüm in der kalten Nacht, wie ein Zopf der Völker im Widerstand.

Fernanda Palmieri: Wir haben die Nacht mit Maracatú, afro-brasilianischen Widerstandsmusik, abgeschlossen. So wie wir sind, sind wir zusammengekommen, stark, schön und mächtig, und es macht mich sehr stolz, Teil dieses Kreises solch wundervoller Frauen zu sein.

Imayna Caceres: Beim Tanzen teilen wir Erkenntnisse durch den Körper. Die Musik, die heilende Klangschwingung, hat verschiedene Gefühle der Erinnerung verflochten, Freude und Wiederverbindung. Wir sind von mehreren Geschichten gestrickt, verwoben von Wissen für das Leben in einer Gemeinschaft die nicht nur menschlich ist, ein Wissen die wertvoll ist und die wir hierher bringen. Wir feiern das Ganze, von dem wir ein Teil sind, und tanken Energie. Genuss und Lebensfreude machen uns stark.

Lia Kastiyo-Spinósa: Es war eine magische Nacht, in der während unserer Zusammenkunft die körperliche Anwesenheit unserer AhnInnen, die unser Leben ermöglichen, zu spüren war. Es war eine Nacht der Dankbarkeit, des Zorns, des Schmerzes, des Lachens vor Freude, des Wegwerfens und der Erneuerung der Energie. All dies ist Teil des Widerstands, den wir als Nachkommen unterdrückter Völker vorantreiben. 

Hena Moreno: In dem von uns eröffneten Zeremonienplatz haben wir uns bedankt und haben die tiefen Bedeutungen der Symbolik unserer Herkunftsorte wiedererlangt. Wir haben einen Ort für diejenigen von uns geschaffen, die vom anderen Kontinent kamen. Es wurden kollektive Heilpraktiken mit Liedern und Tänzen des Widerstands durchgeführt. Auch die Freude war präsent, sie hat uns genährt und es uns ermöglicht, eine bedeutungsvolle Umarmung in dieser neuen Realität, die wir erschaffen, zu teilen. 

Susana Ojeda: Wir freuen uns sehr, diesen Ort der Gemeinschaft erschaffen zu können, um uns zu treffen, gemeinsam zu heilen und an die Kämpfe unserer Völker zu erinnern. Danke an euch alle, denn dies ist das Produkt von allem, was wir sind. 

Daniela Paredes: Danke an alle Hände, Füße, Gedanken, Herzen und Hüften für die Minga! Wir sehen uns nächstes Jahr!

Vielen Dank an Susana Ojeda, Daniela Paredes, Marcela Torres und Imayna Cáceres, die geglaubt haben, dass es möglich sein würde, diese Veranstaltung zu organisieren und sich das so vorzustellen. Lia Kastiyo-Spinosa, die von Anfang mitangepackt hat und uns zum Schreiben eingeladen hat. Marisel Orellana, Patrick Bongola alias Topoke Mwana Mayi und estudio elgozo für die Aufzeichnung unserer Gemeinschaftsgeschichte. Ritualleiterin: Hena Moreno | Performances: Yeni Ccorahua mit Daniel Vargas (Gitarre) und José Luis Lechón (Quena) | ViviArte | Ehekatl Arizmendi (Bravero) | Moenani | Don Indio y la Tribu | Ñuca Munani | Maracatu Caxinguelê | Schals: William Obando | Ton und Logistik: David García Santos, Fernando Romero, Byron Cortés, Juan Martín Gonzales. | Anmeldung: Zoraida Nieto 

Erfahren Sie mehr über unsere Interventionen unter Antikoloniale Interventionen in Wien in: https://www.facebook.com/Kollektiv-antikolonialer-Interventionen-in-Wien-104377878015281/

Links zur Erinnerung der Tag

Video von Patrick Bongola aka Topoke Mwana Mayi 

Photoalbum von Marisel Bongola 

Kolumbus? Nein, danke von Kristine Koyer, Dominique Bauer und Daniela Paredes 

Kolumbus' „Entdeckung“ und der koloniale Albtraum von Kristine Koyer, Dominique Bauer und Daniela Paredes 

Text und Bilder über Kolumbus und Wien von Imayna Caceres 

Text von Marcela Torres 



Übersetzt von Marisel Bongola

Kollektiv antikolonialer Interventionen in WienUmgang mit kolonialen Strukturen und das Feiern von Lebensweisen für ein gutes Leben / Dealing with colonialism and celebrating ways of living towards a good life / Lidiando con el colonialismo y celebrando formas de vivir hacia una buena vida.