crossover

50 Jahre Anwerbeabkommen Österreich–Türkei: Eine Geschichte in Zitaten

share on facebookprint/drucken
von Gamze Ongan und Vida Bakondy

Wer weiß in Österreich heute noch, dass "Gastarbeiter" aus Spanien, der Türkei und Jugoslawien aktiv ins Land geholt wurden? Wer erinnert sich daran, dass Österreich den Wirtschaftsaufschwung in den 1960er und 1970er Jahren in beträchtlichem Ausmaß diesen "Gastarbeitern" verdankt? Und wer hat schon von Österreichs Angst gehört, die "Gastarbeiter" könnten sich für Deutschland oder die Schweiz entscheiden, weil diese Länder attraktivere Arbeitsbedingungen anboten?

Vor fünfzig Jahren, am 15. Mai 1964, wurde das "Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Türkischen Republik über die Anwerbung türkischer Arbeitskräfte und deren Beschäftigung in Österreich" unterzeichnet. Es war eines von insgesamt drei Anwerbeabkommen, die Österreich im Laufe der 1960er Jahre unterzeichnen sollte.
Zeitgenössischen Kommentatoren zufolge stellte das Inkrafttreten des Abkommens mit der Türkei "das nachträglich geschaffene Legalfundament eines seit geraumer Zeit bestehenden de facto-Zustandes dar", denn schon seit Beginn der 1960er hatten aus der Türkei kommende ArbeiterInnen Beschäftigung in Österreich gefunden.

Frühjahr 2014: Fünfzig Jahre nach der Unterzeichnung des zwischenstaatlichen Abkommens, das bis heute von keinem der Vertragspartner offiziell annulliert wurde, leben in Österreich knapp 250.000 Menschen, die selbst oder deren Eltern oder Großeltern in der Türkei geboren wurden. Bis heute haben diese "Türken" nicht unbedingt das Gefühl, hier willkommen zu sein. Gibt es also etwas zu feiern?
Allerdings wird ohnedies nicht wirklich gefeiert. Kein Staatsakt. Keine koordinierte Aktion zum Jubiläum. Nur einige wenige lose Veranstaltungen hier und da.

Unser Projekt ist ein Versuch, die Anfänge der Geschichte der Arbeitsmigration in Plakaten aufleben zu lassen. Im Gegensatz zu heute wurde in den 1960ern nicht regelmäßig öffentlich über "die Türken" geredet und gemutmaßt. Die Gespräche liefen im Hintergrund. Die Arbeitsmigration wurde "abgewickelt", war Teil des Verwaltungsapparats. Die Medien berichteten sporadisch.

Die Plakate, die in Wien affichiert werden, geben Originalzitate aus den Jahren 1962 bis 1964 wider: Schlagzeilen aus Zeitungen, Anforderungsprofile für Arbeitskräfte, einen Auszug aus dem Beschwerdebrief eines angeworbenen Arbeiters. Wir haben Wert darauf gelegt, verschiedene Akteure und Akteurinnen und somit unterschiedliche Perspektiven auf diese Geschichte zum Vorschein zu bringen. Die Texte sprechen für sich.


Ein Projekt von Vida Bakondy und Gamze Ongan für die Initiative Minderheiten, in Kooperation mit dem Archiv der Migration.


Vida BakondyHistorikerin, Mitautorin der Ausstellung "Gastarbajteri - 40 Jahre Arbeitsmigration". Mitglied im Arbeitskreis Archiv der Migration und im Vorstand der Initiative Minderheiten.
Gamze Onganstudierte Theaterwissenschaften und war Mitautorin der Ausstellung "Gastarbajteri - 40 Jahre Arbeitsmigration". Sie arbeitet im Bildungs-, Beratungs- und Therapierzentrum Peregrina und ist Chefredakteurin von "STIMME - Zeitschrift der Initiative Minderheiten".