fokus

Death of the wish to fit in and a love letter to maiz and das kollektiv

share on facebookprint/drucken
von sugar pa!
Image
©emy.fem
+

 

Aber Teil meiner Geschichte in Österreich ist auch meine Wertschätzung für maiz und das kollektiv also atme und vertraue ich, dass dieser Text hier genau richtig ist.

Im Sommer 2018 habe ich meine krebskranke Grossmutter 5 Monate lang alleine gepflegt und beim Sterben begleitet. Sie lebte in Österreich und starb an meinem 28. Geburtstag.

In der Zeit nach der Beerdigung war ich sehr vulnerabel und hatte keinen sicheren Wohnraum mehr in Berlin - der Stadt, in der ich vorher 5 Jahre gelebt hatte. Ich fand ein Wohnprojekt in Leonding, in dem ich wohnen konnte, habe meine beiden Rucksäcke gepackt und bin mit dem Flixbus von Berlin nach Linz/Leonding gefahren.

Kurz nach Einzug kam der erste Lockdown.

Mein Zimmer war unbeheizt und schimmlig.

Mein Wohnumfeld war ueberwiegend Österreichisch weiß, cis, heteronormativ, monogam, sexarbeitsfeindlich oder ignorierend.

Ich habe mich nicht sicher gefühlt und wurde von zwei der cis weiblichen Mitbewohner*innen heftig gemobbt. Meine Partnerschaft war emotional gewaltvoll, aber ich war abhängig davon und die einzige andere Bezugsperson, die ich hatte, war der beste Freund meines Partners.

Ca. zwei Jahre lang habe ich fast jede Woche drei Tage lang chemische Drogen konsumiert, währenddessen ich versucht habe, emotionale Bindungen außerhalb dieser gewaltvollen Beziehung zu formen. Was mir nicht wirklich gelungen ist. Weil ich an den falschen Orten gesucht habe. Ich habe viel strukturelle und emotionale Arbeit fürr weiße cis Räume und Einzelpersonen geleistet und bin daran ausgebrannt. Mir wurde nicht zugehört, ich wurde nicht ernst genommen und mir wurde gesagt, ich sei „zu viel“. Ich habe so viele verzweifelte Tränen geweint in dieser Zeit.

Auf der Suche nach Austausch mit anderen Sexarbeiter*innen die ähnliche Arbeit machen, fand ich zu maiz und dort wurde mir sofort eine bezahlte Stelle im Bereich Sex&Work angeboten.

Und dann fingen ganz andere emotionale und Reflektionsprozesse für mich an.

Ich erinnere mich an ein Telefonat mit einem Herzensmenschen in welchem ich

von maiz schwärmte und davon erzählte, „was ich für ein Glück habe, dass ich da arbeiten darf, denn ich bin ja keine Migrant*in bin.“ LOL!!!!!!

Und mein Herzensmensch so „wie kommst du darauf dass du keine Migrant*in bist? Was bedeutet dieser Begriff für dich?“

Das hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass ich den Begriff Migration stigmatisiert habe. Deconstruction work in progress.
 

Irgendwann in dem Zeitraum dann die Realisierung:

 

i am a racialized body

ich bin nicht weiß- und bin es doch

Erinnerungen aus meinem Leben werden neu geschrieben und machen plötzlich Sinn

Holy shit.

wer bin ich, was kann ich, was wurde mir beigebracht,

welche Gewalt erlebe ich seitdem ich klein bin und welche reproduziere ich?

hört mich, seht mich!

lost in identity contradictions.

Es ist schwierig, in Worte zu fassen, was das fuer ein Prozess war. Ich meine, ich war fast 30 und stellte fest, dass ich mein Leben lang rassifiziert und rassistisch profiliert wurde aber ich hab’s nie gecheckt bzw. in Worte fassen können. Meine Erfahrungen mit meinen Mitbewohner*innen, rassistische Profilierungen und Polizeirepression in Linz waren ein neues Level für mich, gemeinsam mit neuem Wissen und Sprache. Diese Prozesse hatten keinen Raum, unter anderem weil sich mein Lockdown Space gewaltvoll angefühlt hat, ich keine Vertrauenspersonen um mich hatte und ich ständig high war.

Ich fing an, mich für den kolonialisierten Teil und der Fluchtgeschichte meines Großvaters zu interessieren bzw. mir dessen bewusst zu werden.

Leider habe ich zu spät angefangen, Fragen zu stellen, es gibt heute niemanden mehr, der antworten kann oder will.

Österreich (Oma war christliche Fundamentalistin) und Deutschland (adoptiver leiblicher Vormund aus einer Familie die NICHT antifaschistisch war) haben immer mehr Raum eingenommen.

Es macht jetzt sehr viel Sinn für mich, dass ich mich nie irgendwo sicher und zuhause gefühlt habe, weil ich immer in gewaltvollen Umfeldern gelebt habe. Die einzige Person in meinem Leben, die safe für mich war, war mein Großvater. In Griechenland habe ich mich immer gut gefühlt als Kind. Aber sein zuhause war Zypern und dort war er seit seiner Kindheit nicht mehr gewesen, und ich noch nie.

Bei maiz fand ich die Solidarität, Empathie und Stärke, die ich gebraucht habe, um diese Zeit durchzustehen. Trotzdem habe ich nach einem Jahr dort wieder aufgehört, weil ich die Verantwortung von einer bezahlten Stelle mit Struktur nicht halten konnte, frustriert war, keinen Wert in meiner Arbeit dort für Sexarbeiter*innen weiter unten in der Hurenhierarchie gesehen habe und auch nicht wusste, wie ich das ändern kann. Zusätzlich bin ich ab und zu nicht im Büro erschienen, weil ich noch high war. Ich konnte die Verantwortung nicht halten. Es war nicht leicht, als einzige Sexarbeitende bei maiz zu sein. Mein Leben hatte auch zu viele andere emotionale Baustellen.

In einem Jahr bei maiz und von zwei Aktionen mit das kollektiv habe ich viel gelernt. Einiges davon wird mir erst heute, 4 Jahre später, bewusst.

Und in Linz liegt mein Wunsch begraben, in weiße Raume „reinzupassen“ und mich dafür anzupassen. Das hat sowieso nie richtig funktioniert. Dafür danke ich maiz und das kollektiv.
 

Seitdem sind 4 Jahre vergangen und ich arbeite hart daran, meine ansozialisierte white supremacy culture zu dekonstruieren und mich mit meinem Klassismus auseinanderzusetzen.

Ich lerne gerade, zu akzeptieren, dass ich middle class erzogen wurde und dadurch Zugang zu bestimmten Raumen und Ressourcen habe, die ich zum Teil ablehne oder mein Leben anders lebe. Ich möchte einen Weg und die Sprache finden, das in bestimmten Kontexten sichtbar zu machen, aber auch die Arbeit zu leisten, meine Privilegien noch mehr zu teilen. Ich suche nach Austausch darüber, wie das aussehen kann.

Seither bin ich einmal an einen Ort gefahren, der nur für trans Menschen und BIPoCs war. Es hat viel Mut gebraucht, dahin zu gehen. Im nachhinein wurde ich von einer schwarzen trans sexarbeitenden Person gefragt, wie ich auf die Idee komme, in einem BIPoC-Raum Platz einzunehmen, weil ich per Definition nicht BIPoC bin.

Das hat wieder viele Unsicherheiten in mir ausgelöst. Was bin ich denn? Was sind Begriffe, die meine Identität in Worte fassen. Wonach suche ich, wenn ich nicht die Worte dafür habe, was ich suche und in verschiedenen Ländern und Kontexten zuhause bin.

Diese Unsicherheiten habe ich bei maiz und das kollektiv nie gespürt. Ich habe mich einfach richtig und wertgeschätzt gefühlt.

Das Gefühl des Zersplittert seins und doch endlich ganz(er). Diese Widersprüche sind manchmal etwas doll.

In 4 Jahren Österreich war meine kurze Zeit bei maiz die einzige in der ich mich zwischenmenschlich zu Hause und sicher gefühlt habe.
 

Bei maiz habe ich das erste Mal Community gefunden. Aber ich konnte es zu der Zeit noch nicht genug wertschätzen und auch nicht viel beitragen, weil ich noch zu viel in weiße Räume reinpassen wollte/musste.

Durch maiz und das kollektiv konnte ich einen gesunden Zugang zu meiner Wut entwickeln und sie überhaupt erstmal benennen - die ich seitdem ich klein bin, mit mir herumtrage.

Diese Wut auf bestimmte Umstände und meine mittlerweile fehlende Geduld mit weißen Menschen, die ihre Privilegien nicht reflektieren, sich solidarisieren und dekonstruieren..

Bei maiz und durch das kollektiv habe ich gelernt, schamlos Raum einzunehmen und dass ich Bildungsarbeit leisten kann und Berechtigung habe, auf Grund meiner Erfahrungen und nicht meiner Schulbildung.

Aber auch, wen ich unsichtbar mache, wenn ich mit meinem Körper alleine Raum auf einer Bühne einnehme. Diese weiße Sozialisierung der Individualisierung und des Perfektionismus wurde dekonstruiert.

Ich habe gelernt, dass ich nicht alleine bin, nie.

Und wie wichtig es ist, geteiltes Wissen sichtbar zu machen, weil es ein gemeinsamer Kampf ist.

Ich habe Zusammenhalt auf einer anderen Ebene kennengelernt - nämlich auf einer sicheren.

"wir sind viele und lassen keine zurück"

"wir sind Frauen* die kämpfen"

Gerade bin ich also dabei, mich neu zu orientieren, mein Leben neu zu navigieren. Raume zu finden, die sich gut anfühlen. Ich baue mehr Beziehungen zu queers of colour auf. Wenn ich auf dem Land einer anderen Person begegne, die of Color ist, zwinkern wir uns anerkennend zu.

Das ist alles neu, aber fühlt sich an wie zu Hause.

Ich bin ein bisschen traurig darüber, dass ich damals nicht mehr Fragen gestellt habe. Seit ca. einem Jahr wohne ich nicht mehr in Österreich und ich fühle mich endlich wieder besser. Aber ich werde euch besuchen kommen.

Ich bin für jede einzelne Begegnung mit Menschen von und bei maiz und das kollektiv dankbar.

Danke, für eure Empathie, Unterstützung, Geduld, Verständnis und Liebe.

sugar pa!bei der Geburt weiblich zugewiesen, nicht binär-trans, Inhaberin eines deutschen Passes, Sexarbeiter*in. Metallarbeiter*in, ohne festen Wohnsitz, Überlebende*r von 16 Jahren häuslicher Gewalt durch einen Adoptivelternteil, gerade überwiegend nüchtern, zahle aus Prinzip keine Miete mehr, dadurch oft keinen Zugang zu Wasser, Strom und Heizung, habe in den letzten 8 Jahren öfters ein Bett geteilt als mein eigenes zu haben.